Das Geburtstagsgeschenk
Ich sage: »Da hast du ganz recht.« Mehr will er nicht – Zustimmung, Beifall, Mitgefühl, und das kriegt er von mir. Ein- oder zweimal hat er die Hände vors Gesicht geschlagen und um diese Frau geweint, der ihr Mann – ob tot oder lebendig – völlig egal war. Abgesehen davon, dass sie hätte arbeiten müssen, wenn er gestorben wäre und kein Ivor Tesham bereitgestanden hätte.
Gestern Abend sagte er: »Es war mir nicht recht, dich im Haus zu haben, Jane, der Gedanke, dass eine andere Frau hier wohnen soll, war mir schrecklich.« Er sah mich an, nicht unhöflich oder besonders kritisch, aber so, als wenn ich der letzte Notnagel wäre, eine, die man nur nimmt, wenn alle Stricke reißen, wie Mummy sagen würde. »Aber es war eine gute Idee. Ganz ehrlich – ich wüsste nicht, was ich ohne dich täte.«
»Danke«, sagte ich.
»Wenn du Hebe ähnlicher wärst, hätte ich damit meine Schwierigkeiten, aber zwei unterschiedlichere Frauen kann man sich gar nicht vorstellen.« Und dabei hatte er mir gerade vorgeschwärmt, wie schön sie war, wie intelligent, wie witzig, lustig und unterhaltsam. Dann sagte er: »Ich sollte nicht so egoistisch sein, aber du wirst mich doch nicht im Stich lassen und Callum heiraten?«
»Irgendwann vielleicht«, sagte ich. »Aber das hat noch viel Zeit.«
Hebe war himmelweit von Gerrys Vorstellungen einer guten Mutter entfernt. Ich weiß jetzt – damals wusste ich es noch nicht dass sie die Granias und Lucys und all die anderen so oft wie möglich zum Kinderhüten eingespannt hat, während sie Kleider kaufen oder ins Kino oder zum Friseur gegangen ist. Sie steckte Justin so früh wie möglich ins Bett und ließ ihn dort schreien, wenn sie mit ihm allein im Haus war. Ich habe mir vorgenommen, ein beispielhafter Mutterersatz zu sein, und ich glaube, das kriege ich auch hin. Wenn ich denke, wie oft er zu ihr gelaufen ist, sich auf ihren Schoß gesetzt und sie abgeküsst hat, geht mir das durch und durch. Und es ist mir ein Rätsel, wie ein Kind in seinem Alter einer so absolut Unwürdigen so viel Liebe entgegenbringen konnte. Hebe hatte Justins Liebe nicht verdient. Ich werde sie mir verdienen. Ich setze darauf, dass er im Lauf der Zeit, nach Wochen oder Monaten, Hebe vergessen und in mir die einzige Mutter sehen wird, die er je hatte.
So weit ist es noch nicht, aber wenn ich nicht lockerlasse, kann ich es schaffen. Er verlangt immer noch nach ihr, besonders wenn er müde ist, und jetzt sagt er nicht mehr »Justin will Mummy«, sondern »Ich will meine Mummy.« Oder ganz schlicht und klagend: »Wo ist meine Mummy?« Er ist schon ein richtig großer Junge geworden. Ich nehme ihn in die Arme, wenn er nach Hebe ruft, aber dann wird er bockig und stößt mich weg. Hebe hatte keine Spur von Feingefühl, sie hätte sich nie in einen anderen Menschen hineinversetzen können, und ich kann nur hoffen, dass Justin das nicht von ihr geerbt hat. Gibt es ein Egoismus-Gen? Gut möglich. Vielleicht wusste Gerry aber auch, was er wollte, als er sagte, ich würde ihn doch hoffentlich nicht verlassen und heiraten.
Alles in allem aber läuft es recht gut, und das ist etwas, was ich nicht oft sage.
14
Um Ivor zu verstehen, muss man vor allem akzeptieren, dass er der Inbegriff des englischen Gentlemans war. Das klingt paradox, wenn man bedenkt, wie er sich bei dem Unfall und danach verhalten hat, tatsächlich aber entspricht es durchaus diesem Bild. Der englische Gentleman ist tapfer bis zur Tollkühnheit, zuvorkommend Frauen seiner Gesellschaftsschicht gegenüber, ein guter Soldat, hochfahrend, stolz, großzügig und wagemutig. Er hat einen altmodischen Ehrbegriff, der – man mag es kaum glauben – noch immer von den Anfang des 20. Jahrhunderts so beliebten Abenteuerromanen geprägt scheint, deren Helden Carruthers, Frobisher oder Carew hießen. Weil unserem Mann am nächsten Morgen der Ausschluss aus dem Klub droht, schickt ihn sein bester Freund am Vorabend in die Bibliothek mit der Bemerkung, im dritten Schubfach des Schreibtischs werde er eine Schusswaffe finden. Du weißt, was du zu tun hast, sagt der Freund, und Carruthers weiß es. Statt Schimpf und Schande wählt er den Tod.
Eine Schwäche aber hat Ivor, und das ist seine panische Angst vor der Lächerlichkeit. Als er an jenem Samstag aus der Zeitung von dem Unfall erfuhr, meldete er sich vor allem deshalb nicht bei der Polizei, weil er die Brutalität der Boulevardpresse kannte und fürchtete. Niemand hätte ihm die Schuld an dem
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