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Das Geburtstagsgeschenk

Das Geburtstagsgeschenk

Titel: Das Geburtstagsgeschenk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Vine
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vor Iris, versuchte, mir meine Bestürzung, meinen Kummer vorzustellen, meine Wut auf diesen anderen Mann … – aber nein, das funktionierte nicht. Sophie konnte nicht Auto fahren, hätte bei einer gespielten Entführung nicht mitgemacht, die ganze Sache scheiterte, wie meist, an meiner unterentwickelten Phantasie. Obwohl ich also Juliets Gefühle nicht nachempfinden konnte, fand ich ihr Verhalten erstaunlich. Ob sie mit ihrer Beziehung zu Ivor am Ende irgendwelche Nebenabsichten verband? Überdies muss ich leider sagen, dass ich vor einer Frau zurückzuckte, die gleich bei ihrem ersten Treffen mit einem Mann wie ihm ins Bett gegangen war.
    Beim Essen sprachen wir über Ivors Wahlerfolg. Juliet erwähnte die Niederlage ihres früheren Mannes Aaron Hunter gegen Martin Reed, einen Parlamentarier, den Ivor recht gut kannte, und bei dieser Gelegenheit fiel die Bemerkung, dass seit fast einem halben Jahrhundert kein Parteiloser mehr im Unterhaus gesessen habe. Sie sprach über Aaron Hunters Chancen mit demselben Gleichmut, den sie in Sachen Lloyd Freeman an den Tag gelegt hatte. Sie lächelte, sie schwieg. Wenn sie einmal das Wort ergriff, war sie geistreich und amüsant. Iris fragte, ob sie zurzeit am Theater sei, was sie verneinte. Sie habe seit mehreren Jahren kein Engagement mehr gehabt.
    »Zum Glück habe ich etwas eigenes Geld zum Leben«, sagte sie.
    Später fragten wir uns, ob wohl dieses ›eigene Geld‹ von Ivor kam. Wir beobachteten die beiden, registrierten, wie sie Ivor anschaute und er sie. Sie trug Schwarz – einen kurzen Rock, um die schönen Beine zur Geltung zu bringen, High Heels und ein tiefes Dekolleté des schönen Busens wegen. Über den Schultern lag eine dünne rote Stola mit schwarzer Stickerei. Ivor maß sie mit fast wölfischen Blicken, während sie sich in aller Ruhe dem Essen widmete. Irgendwann, sagte ich zu Iris auf dem Heimweg, wird sie enorm dick sein, aber ihn wird das nicht stören.
    »Sie hat tüchtig zugegriffen«, bestätigte Iris. »Das hat man selten bei Frauen. Nicht, dass sie keine guten Tischmanieren hätte, so meine ich das nicht, aber sie isst so zielstrebig, man möchte fast sagen, dass sie das Essen in sich hineinschaufelt, auch wenn es durchaus hübsch anzusehen ist.«
    Ich lachte. Wir waren zu Hause angekommen. Meine Mutter meldete voller Stolz, beide Kinder hätten die ganze Zeit geschlafen wie die Murmeltiere.
     
    Ivor hatte nie mit einer Frau zusammengewohnt. Manchmal war er nahe daran gewesen, wie in der Beziehung mit Deborah Liston, die eines Tages verlauten ließ, sie überlege sich, mit ihm zusammenzuziehen. Fast unmittelbar darauf hatte er Nicola Ross kennengelernt, und von Deborah und einem Einzug bei ihm war nicht mehr die Rede gewesen. Nicola hatte ihm offenbar angeboten, er solle zu ihr ziehen, denn sie dachte nicht daran, ihr Haus am Fluss in Hammersmith aufzugeben, aber das wollte Ivor nicht. Ich glaube, er hielt es irgendwie für unmännlich, Mitbewohner in einem Haus zu sein, das einer Frau gehörte. Vielleicht lag ihm aber auch nicht so viel an Nicola, dass er bereit gewesen wäre, seine Unabhängigkeit für sie aufzugeben. Für Hebe hätte er zwar, wie er mir gestanden hatte, beinah eine Wohnung in Pimlico gekauft, aber mit dem Hintergedanken, sie jederzeit nach Lust und Laune sehen zu können, ohne mit ihr zusammenleben zu müssen.
    Würde er von seiner Regel – wenn es denn eine war – Juliet zuliebe abweichen? Es sah nicht danach aus, auch wenn er jede freie Minute mit ihr verbrachte. Er hatte sie in Ramburgh seinen Eltern vorgestellt, und dass sie von Juliet sehr angetan waren, schien ihn noch enger an sie zu binden. War es Liebe, Leidenschaft oder nur Sex? Ich weiß es nicht oder besser gesagt: Damals wusste ich es nicht. Sie fuhren zu Martin Reeds Hochzeit nach York, die Presse brachte ihr Foto zusammen mit dem Brautpaar, Juliet mit breitrandigem Hut aus schwarzer Spitze und in einem weißen Leinenkleid. In der Morningford Gazette erschien ein Foto der beiden auf der Landwirtschaftsausstellung in Norfolk, nachdem Ivor eine weitere Sprosse der Karriereleiter erklommen hatte und zum Staatsminister ernannt worden war. Iris und ich überlegten, ob ihre Eltern an ihrer Absicht festhalten würden, dem Sohn Ramburgh House zu überlassen, wenn er heiratete.
    »Falls er heiratet«, sagte Iris. »Erica Caxton wäre mir lieber gewesen.«
    »Ich denke, du magst Juliet«, sagte ich.
    »Ja, natürlich. Das bedeutet aber noch nicht, dass ich sie gern als

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