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Das Geburtstagsgeschenk

Das Geburtstagsgeschenk

Titel: Das Geburtstagsgeschenk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Vine
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es nicht über uns brachten, die Kinder einer Babysitterin – nicht einmal meiner Mutter – zu überlassen. Besuch verbaten wir uns grundsätzlich, Nadine und Adam forderten uns hundertprozentig. Wir waren deshalb mit Ivor nur durch gelegentliche Telefongespräche in Kontakt und natürlich durch das, was wir über ihn in der Zeitung lasen. Auch er, sagte er, gehe kaum aus. Der Golfkrieg und die fortgesetzten Aktivitäten DER IRA ließen ihn nicht zur Ruhe kommen.
    Er versuchte, die Verbindung mit Erica Caxton aufrechtzuerhalten, und wenn er darüber hinaus noch ein wenig Freizeit hatte, verbrachte er sie mit Juliet Case.
    Im Jahr darauf standen Wahlen an. Andere Länder wundern sich oft über das englische System, den Zeitpunkt von Parlamentswahlen erst einundzwanzig Tage im Voraus bekannt zu geben. Dass und wann ungefähr die Wahlen stattfinden werden, ist allgemein bekannt, aber das genaue Datum erfährt die Öffentlichkeit erst drei Wochen vorher. 1992 machte die Labour Party sich Hoffnungen, die Regierung abzulösen, Hoffnungen, die aus der Sicht und zum Bedauern der Konservativen durchaus berechtigt waren, aber die Erwartungen der Labour Party wurden enttäuscht. Im April siegten John Majors Konservative mit einer recht wackligen Mehrheit von einundzwanzig Stimmen. Ivor behielt seinen Sitz in Morningford, allerdings hatte auch er Federn lassen müssen. Er hatte hart für diesen Sieg gearbeitet, zumal er vor der fast übermenschlichen Aufgabe stand, in seinem Wahlkreis gegen einen starken Labour-Kandidaten anzutreten und gleichzeitig seine Arbeit im Ministerium nicht zu vernachlässigen. Aaron Hunter hatte sich in einem Wahlkreis in den Midlands als Parteiloser aufstellen lassen und sich die Bekämpfung von Korruption und Schmuddelsex auf die Fahne geschrieben, den Tory-Abgeordneten aber nicht stürzen können.
    »Kein Wunder, seit fast fünfzig Jahren haben wir keinen Parteilosen mehr im Unterhaus«, sagte Ivor.
    Unsere Geduld wurde auf eine harte Probe gestellt, aber irgendwann lernten wir Juliet Case dann doch kennen. Von einer Julia, sagte Iris, erwartet man, dass sie lieb, sanft und romantisch ist, und oft wird dadurch der Name zur Last. Doch Juliet Case war tatsächlich anmutig und schön auf eine Art, die mich zunächst überraschte, denn ich hatte mir eingebildet, Ivor sei auf einen bestimmten Typ, die große schlanke Blondine, festgelegt, auf Frauen wie Nicola Ross und Hebe Furnal. Von Ivors Lobeshymnen über sie habe ich schon erzählt. Was aber Ivor nicht hatte vermitteln können, waren ihre Herzlichkeit und ihre Fähigkeit zu schweigen, eine ganz seltene Eigenschaft. Auch Herzensgüte besaß sie, ich habe sie nie etwas Gehässiges über andere Menschen sagen hören. Wenn man sie betrachtete – die füllige Figur, das dunkle Haar, die samtig weiße Haut iberischen Typs, das stets offene Lächeln, die braunen Augen, die nur schöne Bilder zu schauen schienen –, erwartete man zunächst eine gesprächige, ja geschwätzige, stets zum Lachen bereite Frau, aber sie war die Gelassenheit in Person. Wenn sie nichts zu sagen hatte, sagte sie nichts. Ich hörte einmal, wie Ivor sie »mein lieblich Schweigen« nannte, so wie Coriolan (diese Weisheit verdanke ich Iris) zu seiner Frau sagte. Da Juliet vor allem zuhörte, schätzte man das, was sie sagte, umso mehr.
    Wir hatten uns vor dem Essen bei uns getroffen – meine Mutter war gekommen, um die Kinder zu hüten – und wollten in ein Restaurant in Hampstead, in der Heath Street, denn Iris fuhr nach wie vor ungern weiter weg, obwohl Adam inzwischen fünfzehn Monate und Nadine fast drei war. In jener Woche vor zwei Jahren war der Unfall passiert, bei dem Hebe ihr Leben verloren hatte. Uns war das bewusst, aber den anderen beiden war nicht anzumerken, ob sie daran dachten. Vielleicht waren sie nur zu diskret, es zu erwähnen. Schließlich war nicht nur Hebe gestorben, sondern auch Juliets Exfreund Lloyd Freeman. In diesem Zusammenhang ließ mich eine Frage nicht los, über die ich auch mit Iris sprach: War es nicht eigenartig, dass Juliet sich auf diese Beziehung eingelassen hatte, obwohl sie wusste, dass Ivor – wenn auch nur indirekt – für das Unglück verantwortlich gewesen war?
    »Lloyd Freeman war offenbar damals nicht mehr ihr Freund«, sagte Iris. »Vielleicht empfand sie nicht mehr viel für ihn.«
    Ich versuchte mir vorzustellen, man hätte mir von dem durch einen anderen Mann verschuldeten Unfalltod meiner früheren Freundin erzählt, der Frau

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