Das Geburtstagsgeschenk
von ihm bekommt? Sie wird nie etwas sagen, weil sie diese großzügige Zuwendung nicht verlieren will, auch wenn nie offen ausgesprochen wurde, warum er sie ihr zahlt.«
»Und – was wichtiger ist – warum sie das Geld bereitwillig nimmt«, ergänzte Iris. »Aber kann denn das sein, Rob? Er liebt sie doch, und’sie liebt ihn. Kann es das nebeneinander geben – Liebe und … eine unausgesprochene Drohung?«
Auszuschließen sei es nicht, sagte ich. Außerdem sei das ja gar nicht sicher. Vielleicht habe Juliet Einnahmen von anderer Seite, von ihrem Exmann Aaron Hunter zum Beispiel.
»Hoffentlich«, sagte Iris. »Es ist für mich eine unerfreuliche Vorstellung, dass mein Bruder zweimal Erpressungsgeld zahlt – und in beiden Fällen an Menschen, die letztlich nur eine eingebildete Bedrohung darstellen. Was muss in seinem Kopf vorgehen, wenn er immer wieder neue Gefahren von immer mehr Leuten auf sich zukommen sieht? Denn das wäre durchaus denkbar.«
»Meinst du? Von welcher Seite zum Beispiel?«
»Jane Atherton?«
Nicht unmittelbar danach, erst zwei Jahre später, als er sich in Sicherheit wähnte, hatte Ivor uns von seinem Gespräch mit Jane Atherton in deren Wohnung erzählt, von ihrem Vorschlag, er möge sich etwas von Hebes Schmuck als Andenken aussuchen. Er habe große Angst gehabt, sagte er, denn er habe nie die Frage vergessen, die er ihr bei ihrem ersten Telefonanruf gestellt hatte und die er fast täglich bereue. Als er direkt vom Unterhaus mit dem Taxi zu ihr fuhr, ließ er sich die Formulierung durch den Kopf gehen, mit der sie ihn eingeladen hatte: Es gibt Gesprächsbedarf … Das konnte nur eins bedeuten: Sie wusste jetzt, was sie tun würde. Als er die Treppen hochstieg, habe er ein Engegefühl in der Brust gespürt wie vor einem Herzinfarkt. Seine Erleichterung, als sie ihn aufgefordert habe, sich ein Andenken auszusuchen, sei riesengroß, aber nicht ohne Vorbehalte gewesen, denn nun habe er sich natürlich gefragt, ob sie ihm die Perlen zeigen würde. Sie tat nichts dergleichen, und danach fragen konnte er nicht.
Er hatte seither nie wieder von ihr gehört.
Noch ein Wort zu Aaron Hunter. Nachdem es ihm in den Parlamentswahlen nicht gelungen war, den Sitz zu erringen, für den er kandidiert hatte, war er wieder ans Theater gegangen, wo man ihn schon schmerzlich vermisst hatte. Zu viert – Iris und ich, Ivor und Juliet – sahen wir ihn in Lear. Nicht als König natürlich, dazu war er noch zu jung, er gab einen von der Kritik hochgelobten Edgar. Mir ist das Stück zu grausam. Die Szene, in der Gloucester die Augen ausgestochen werden, ist zu viel für mich, und bei jeder Neuinszenierung bemüht sich der Regisseur – oder wer immer für diese Dinge zuständig ist alles noch grausamer, noch abstoßender darzustellen. Wenn der Ärmste seine Augen einbüßt, schließe ich meine und senke den Kopf, und Iris macht es ähnlich. Unsere beiden Begleiter schienen ungerührt. Sehen konnte ich es ja nicht, aber ich spürte, wie cool sie das Geschehen auf der Bühne hinnahmen. Nach der Vorstellung gingen wir zu Aaron Hunter, um ihm zu gratulieren, er und Juliet unterhielten sich freundschaftlich (ich hatte den Eindruck – der natürlich durchaus trügen konnte –, dass sich Juliet nie und nirgends irgendwelche Feinde machte). Ivor, der Aaron Hunter ja schon kannte, sprach mit ihm nicht übers Theater, sondern über Politik, in der sie diametral entgegengesetzte Meinungen vertraten, einander aber akzeptierten. Die Einladung, mit uns zu essen, schlug Hunter aus. Er sei müde, am nächsten Abend müsse er wieder auf der Bühne stehen.
Das Restaurant war in Westminster, auf halbem Wege zwischen Ivors Wohnung und seinem neuen Heim in der Glanvill Street. Der House Hunter hatte etwas Passendes für ihn gefunden, ein elegantes dreigeschossiges georgianisches Haus mit kleiner Vortreppe und schmiedeeisernen Balkongittern. Nach dem Essen standen wir im Licht der altmodischen Straßenlaternen auf dem Square und sahen es uns an.
»Und dort wird Juliet mit mir leben«, sagte Ivor und legte ihr sanft einen Arm um die Schulter. »Es wird sie freuen zu hören, dass sie die einzige Frau ist, mit der ich je bereit war, unter einem Dach zu wohnen.«
Wir bekamen eine Einladung zu Ivors Hauseinweihung. Anlässlich des Umzugs eine Party zu geben sah ihm nicht ähnlich, es war wohl Juliets Idee, sie hatte auf Ivor einen größeren Einfluss als jede andere Frau. Ich dachte an Iris’ Vorwürfe, als Ivor Sean Lynch als
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