Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Geburtstagsgeschenk

Das Geburtstagsgeschenk

Titel: Das Geburtstagsgeschenk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Vine
Vom Netzwerk:
seinen Freund bezeichnete. »Was wollen wir wetten«, sagte ich, »dass der nicht auf der Party ist?“
    »Abwarten«, gab sie zu meiner Überraschung zurück. »Aber gut, ich nehme die Wette an. Zehn Pfund, dass er kommt.«
    »Das kann nicht dein Ernst sein.«
    »Mein voller Ernst. Sean Lynch wird da sein, und Ivor wird uns mit ihm bekannt machen.«
    Ivors Haus war durchaus ansprechend, wenn auch genau das, was man sich unter renovierten georgianischen Häusern in London vorstellt. Die Vorbesitzer hatten aus den Zimmern im Erdgeschoss einen einzigen offenen Wohnraum gemacht, wobei durch Bogen und Säulen verschiedene Alkoven abgeteilt waren. Ein Innenarchitekt – oder Juliet? – hatte mit sicherer Hand die passenden Stilmöbel ausgesucht. Sitzgruppen und kleine Tische standen herum, an den Wänden hingen Porträts und in dem großen offenen Bereich politische Karikaturen aus der Zeit des Grafikers und Karikaturisten James Gillray. Die Vorhänge – schwerer Satin in dunklem Bronzeton – waren bodenlang. Auf einem Spinett und in einer vergoldeten Jardiniere standen üppige Blumenarrangements.
    Wir waren kaum fünf Minuten da und hatten gerade festgestellt, dass viel mehr Gäste gekommen waren, als wir erwartet hatten, als Ivor, einen rotgesichtigen untersetzten Mann in zu engem Anzug im Schlepptau, auf uns zukam.
    Jack Munro und seine Frau, die sich gerade auf uns zubewegt hatten, machten abrupt kehrt und steuerten stattdessen Erica Caxton an. Ich hatte den Eindruck, dass Ivors Begrüßung überschwänglicher als gewohnt ausfiel.
    »Iris, Robin, ich möchte euch mit meinem Freund Sean Lynch bekannt machen.«
    Hätten wir an einem Tisch gesessen, hätte Iris mir darunter einen Tritt versetzt. Ersatzweise lächelte sie erkennbar triumphierend und streckte die Hand aus. Auch ich schüttelte Sean Lynch die Hand, während Ivor geradezu verzweifelt harmlose Konversation machte. »Wie findet ihr die Tischlampen? Eine tolle Frau in der West Halkin Street hat sie eigens für mich angefertigt. Die französische Uhr aus dem 18. Jahrhundert müsstet ihr kennen, sie ist aus Ramburgh. Die Lage hier ist so günstig, nicht nur ganz nah an der Circle Line, am St. James’s Park, sondern nur zehn Minuten vom U-Bahnhof Pimlico entfernt …“ Ich dachte an Hebe. Wäre sie am Leben geblieben, wäre sie über kurz oder lang womöglich doch noch in Pimlico gelandet.
    Nachdem er seine Pflicht getan hatte, zog Ivor weiter, um Nicola Ross – in wallendem schwarzweißen Satin – und Aaron Hunter – in Jeans und Lederjacke – zu begrüßen. Nur widerstrebend wandte ich mich diesem Mann zu, mit dem ich nicht gerechnet hatte und auf dessen nähere Bekanntschaft: ich keinen gesteigerten Wert legte. Es gibt bestimmte Gesichter, die für mich typisch irisch sind – ziemlich fleischig, aber fein geschnitten, mit Adlernase, feurigen dunklen Augen, schmalem, sensiblem Mund, auf dem immer der Anflug eines Lächelns liegt. All das traf auf Sean Lynch zu. Er war breitschultrig und kräftig, nicht sehr groß, nur war sein Haar nicht dunkel, sondern schmutzig gelb und lockig und reichte ihm bis auf die Schultern. Er wirkte brutal. Ich machte mich auf den singenden Tonfall der Iren gefasst, aber man hörte nur den Akzent von Paddington Green.
    Ich hatte kaum etwas von dem mitbekommen, was zwischen Iris und ihm gesprochen wurde, nachdem er sich selbstbewusst, ein Glas Orangensaft in der Hand, vor uns aufgepflanzt hatte. Richtig, er trank keinen Alkohol, fiel mir ein, das hatte Ivor uns erzählt. Er hatte Ivors Champagner abgelehnt, als sie über das Geld sprachen, das Ivor ihm und seiner Mutter angeboten hatte. Ich wusste nicht, was ich zu ihm sagen sollte. Als einzige Bemerkung, die er hoffentlich nicht als Fangfrage, als hinterhältig oder taktlos auffassen würde, fiel mir ein: »Wie lange kennen Sie meinen Schwager schon?«
    Ich hätte mir keine Sorgen zu machen brauchen, denn er riss das Gespräch an sich. »Noch nicht lange, nein, lange wirklich nicht.« Jetzt schlug beim Sprechen doch etwas Irisches durch. Während ich nicht viel zu sagen hatte, legte er los. »Aber doch so lange, dass ich weiß, er ist ein echter Gentleman. Ein großartiger Mann. Ohne Dünkel, ohne Hochmut. So einen, der nicht die Spur von Arroganz hat, findet man selten in seinen Kreisen. Und so großzügig! Soll ich Ihnen mal was sagen? Schätze, dass ich der einzige Arbeiter hier bin, aber lässt er mich das merken? Keine Spur! Hat mich schon berühmten Typen vorgestellt,

Weitere Kostenlose Bücher