Das Geburtstagsgeschenk
wenig pikiert, dass Sean nur nickte und »Ist gut!« murmelte und Philomena bemerkte: »Das wäre schon eine Hilfe!«, wobei sie nicht zu ihm hinsah, sondern zu einer ihrer frommen Nippesfiguren, als sei diese Freigebigkeit das Werk eines der Gipsheiligen. Ivor war enttäuscht. Wie meine Tochter Nadine, als sie zu Weihnachten zum ersten Mal selbst etwas verschenkte, hatte er überschwängliche und wiederholte Danksagungen erwartet. Nadine bekam mit ihren dreieinhalb Jahren das, was sie sich erhofft hatte. Ivor musste sich damit zufriedengeben, dass die beiden sein Angebot ohne erkennbare Gemütsbewegung annahmen.
Er bat Philomena – man mag es kaum glauben – um ihre Bankverbindung. Sie wusste gar nicht, was er meinte, sie hatte noch nie ein Bankkonto besessen, und Sean ebenso wenig. Immerhin hatte sie ein Postsparbuch, und darauf wollte er nun jedes Jahr am 1. September zehntausend Pfund einzahlen.
»Trotzdem besuchst du sie immer noch«, stellte Iris fest. »Muss das sein?«
»Sie sollen nicht denken, dass ich mich loskaufen will, das wäre mir peinlich. Wie gesagt – Sean weiß Bescheid. Er weiß, dass ich die ganze Sache eingefädelt habe. Ich möchte nicht, dass er meint, ich hätte ihm Geld gegeben, weil ich mich von ihm bedroht fühle.«
»Stimmt das denn nicht?«
»Nein, Iris, das darfst du mir glauben. Sie denken, dass ich es aus Freundschaft mache, und damit haben sie recht. Sean betrachtet mich als seinen Freund. An dem Abend, als du uns zusammen gesehen hast, Rob, war Seans Freundin da, und Sean hat mich als seinen Freund vorgestellt. ›Das ist mein Freund Ivor‹, hat er gesagt.«
»Sein Freund, ja? Ihr trefft euch auf einen Drink? Du lädst ihn zum Lunch ins Unterhaus ein? Ihr geht zusammen essen, du und Juliet und Sean und seine Freundin? Doch wohl kaum.« Iris musterte ihn mit einem Blick, den ich noch nie an ihr gesehen hatte, ungehalten und ohne die gewohnte Nachsicht. »Du bist verrückt, Ivor. Der Mann ist vorbestraft. Weißt du, was er angestellt hat? Er ist Hilfsarbeiter, sagst du. Aber ist er nicht vielleicht Kleinkrimineller von Beruf?« Die beiden gerieten sich häufig in die Haare, aber ein regelrechter Streit war etwas Neues. »Kannst du dir zehntausend im Jahr leisten?«
»Ich kann es, weil ich muss.«
Ob er sich das damals tatsächlich leisten konnte, weiß ich nicht. 1992 waren zehntausend Pfund sehr viel mehr als heute. Seit 1993 allerdings konnte er so eine Summe leicht verschmerzen, denn im Frühjahr starb sein Vater. John Tesham und ich waren in vielen Dingen nicht der gleichen Meinung gewesen, aber trotz unserer Differenzen mochte ich ihn gern, zumal er den Kindern ein so guter Großvater war. An einem schönen Tag Ende April, als die Bäume in frischem Grün standen, war er mit den Hunden unterwegs gewesen, vermutlich auf einem jener Feldwege, die auch ich liebte und über die ich so oft meine Tochter getragen hatte. Die Hunde kamen ohne ihn zurück und führten seine Frau und einen Nachbarn auf den Friedhof, wo er tot zwischen den Himmelsschlüsseln lag.
Auf der Beerdigung hielt Ivor eine bewegende Rede, in der er vieles an ihm pries, wovon ich nichts gewusst hatte – wie treu ergeben er der Church of England war, wie hoch er die Gedichte von Thomas Hardy schätzte und wie sehr er Tiere liebte. Wenn ich an die Hekatomben von Fasanen und Rebhühnern dachte, die er jeden Winter erlegte, fand ich Letzteres zumindest überraschend. Ivor nannte ihn »einen der letzten englischen Landjunker« und benutzte sogar den ehrwürdigen Titel »Lord of the Manor«. Anschließend wurde das Testament verlesen. Nicht einmal ich als Steuerberater hatte gewusst, dass man so etwas heutzutage noch macht. John Tesham hatte bestimmt, dass seine Frau auf Lebenszeit Wohnrecht auf Ramburgh House haben sollte, und ihr überdies ein beträchtliches Einkommen zugedacht. Fünfzigtausend Pfund gingen an seine Tochter Iris und das Doppelte an jedes Enkelkind. Alles andere bekam Ivor, und es war so viel, dass sogar ich, der ich gewöhnt bin, mit großen Beträgen zu rechnen (wenn auch mit denen anderer Leute), nur staunen konnte.
Zehntausend Pfund im Jahr waren jetzt für ihn eine Kleinigkeit. Als englischer Gentleman ließ er sich allerdings nicht anmerken, ob dieses selbst nach Abzug von Erbschaftssteuern sehr beträchtliche Vermögen ihn ein wenig über seinen Verlust hinwegtröstete. Wir waren zusammen nach Norfolk gefahren, und auf der Rückfahrt sprach er hauptsächlich über die Tugenden
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