Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Geburtstagsgeschenk

Das Geburtstagsgeschenk

Titel: Das Geburtstagsgeschenk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Vine
Vom Netzwerk:
sprach nur eins: Die Konservativen waren seit fast fünfzehn Jahren an der Macht, eine lange Zeit für jede Regierung, und viele Wähler fanden, dass man eigentlich auch mal wieder für Labour stimmen könnte. Die Sun unterstützte diese Tendenz, indem sie bei jeder Gelegenheit die Tories niedermachte und ganz offen erkennen ließ, dass sie die derzeitige Regierung loswerden wollte. Normalerweise war mit Parlamentswahlen erst in über drei Jahren zu rechnen, sollte aber die Unzufriedenheit über die Tories wachsen, konnten sie durchaus früher kommen. Ivor muss sehr darunter gelitten haben, dass die Zeit verging, ohne dass sich an seinem Status etwas änderte. In der Presse war damals viel davon die Rede, dass die biologische Uhr der Frau gnadenlos tickte, wenn sie sich, erfolgreich im Beruf, aber unverheiratet und kinderlos, den Wechseljahren näherte. Bei Ivor war es die politische Uhr, die dem Klimakterium seiner Partei entgegentickte.
    In jenen skandalträchtigen Tagen, in denen ein Tory nach dem anderen in Schwierigkeiten geriet, seinen Namen durch sexuelles Fehlverhalten, Meineid oder andere Vergehen besudelte, blieb Ivors Image unversehrt. Er war sauber – und auch die Öffentlichkeit sah ihn so. Die einzige Wolke an seinem Horizont, ein Wölkchen eher, nicht größer als eine Männerhand, war die Tatsache, dass er mit einer Frau zusammenlebte, mit der er nicht verheiratet war. Natürlich hatten sich die Zeiten geändert. Kaum jemand stieß sich an nicht ehelichen Gemeinschaften. Ivor war nicht geschieden und hatte auch keine Frau sitzen lassen, die sich nun als Alleinerziehende hätte durchschlagen müssen. Trotzdem: Er lebte in wilder Ehe. Juliet war nach allem, was man las und hörte, eine sympathische, sehr gut aussehende Frau. Gewiss, sie war geschieden, und die Presse wusste, mit wem sie verheiratet gewesen war. Aber das verlieh ihr eher einen Hauch von Glamour. In einer Zeitung war sogar ein Foto von Juliet erschienen, auf dem sie, Ivor neben sich, mit Aaron Hunter plauderte. Nirgends war von ihrer Beziehung zu Lloyd Freeman die Rede, aber das war nicht weiter verwunderlich, denn Lloyds Schauspielerkarriere war nicht herausragend, sein Name weitgehend unbekannt gewesen, und bis auf Nicola Ross hatte niemand ihn mit Ivor in Verbindung gebracht.
    Nach den Maßstäben der 1990er Jahre war gegen die Beziehung also nichts einzuwenden. Trotzdem wurde getuschelt. Ein paar alte Tories im Oberhaus rümpften die alten Nasen und wetzten die alten Zungen. Ivors Wahlkampfhelfer in Morningford, ein alter Soldat, riet ihm zur Heirat.
    »Vor der Wahl, mein Junge. Macht einen guten Eindruck.«
    Meine Schwiegermutter erzählte es Iris. Ich weiß nicht, wie sie es erfahren hatte, aber sie kannte den pensionierten Oberst James Maynard sehr gut, vielleicht hatte sie es von ihm persönlich. Auch Louisa Tesham hätte ihren Sohn gern verheiratet gesehen, und wenn es denn Juliet sein musste – nun denn, in Gottes Namen. Sosehr sie Juliet schätzte – die wohlerzogene Tochter eines ihrer Nachbarn in Norfolk, eine junge Frau, deren Großeltern Ivors Großeltern gekannt hatten, wäre ihr lieber gewesen, aber das sei, wie sie sagte, nicht ihre Entscheidung.
    »Es mag ketzerisch klingen«, sagte sie, »aber manchmal denke ich, dass die arrangierten Ehen, die in manchen Ländern üblich sind, einiges für sich haben. Schließlich haben wir euch ja wirklich einiges voraus, ebenso wie ihr der Generation von Nadine.«
    Auch Ivor begriff, dass es allmählich an der Zeit war. Er hatte viel Phantasie und konnte sich Juliet in einem Kleid aus Rohseide und passendem Mantel, das schöne Gesicht von einem breitrandigen Hut beschattet, gut als Tory-Ehefrau vorstellen, die ihm zur Seite stand, wenn er Preise verlieh oder bei einem Essen der Handelskammer zwei Plätze von ihm entfernt am Ehrentisch saß. Aber er war nicht mehr ganz jung, er kannte das Leben, er kannte sich selbst. Würde er sich die nächsten vierzig Jahre mit einer einzigen Frau zufriedengeben können?
    Wenn er heiratete und eine lange politische Karriere in führender Stellung vor sich hatte, würde er bei dieser einen Frau bleiben und ihr treu sein oder aber heimlich fremdgehen müssen, was viel Kraft und penible Planung erforderte. Das Wort ›Betrug‹ nahm er nicht in den Mund. Die Wohnung in Pimlico würde Realität werden – oder viel zu gefährlich sein.
    »Wenn ich mir vorsage: ›Du wirst dein ganzes Leben lang nur noch mit einer Frau schlafen …‹, kriege ich

Weitere Kostenlose Bücher