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Das Geburtstagsgeschenk

Das Geburtstagsgeschenk

Titel: Das Geburtstagsgeschenk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Vine
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können.
    Die Sache mit der Perlenschachtel beunruhigte mich nicht über die Maßen. Schade, dass ich nicht ein Haar draufgelegt habe, dann hätte ich gemerkt, ob sich jemand daran zu schaffen gemacht hatte, aber im Grunde war es ja unwichtig. Zum Abendessen hatte ich Nudeln gemacht, dazu gab es Salat und gutes Vollkornbrot, über das Justin wie üblich die Nase rümpfte. Er wolle geschnittenes Weißbrot wie das, was sie hier oder da gegessen hatten. Offenbar sind sie oft essen gegangen, sagte ich mir und dachte mir nichts weiter dabei.
    Gerry war sehr nett zu mir, netter als seit Monaten. Seit Jahren. Er erkundigte sich nach Mummy und betonte, ich könne jederzeit freinehmen, um sie zu besuchen, und ein, zwei Tage bleiben. Kein Thema, sagte ich, es sei ja nur Ongar, gerade mal 25 Meilen weit weg. Vermisst hatten sie mich offenbar beide nicht. Danach setzten wir uns wie üblich vor den Fernseher, das heißt, Justin schickte ich ins Bett, denn es war schon fast halb neun. Gerry hörte überhaupt nicht mehr auf mit dem Nettsein, er fragte mich sogar nach meinen Wünschen zum Fernsehprogramm.
    Vor dem Schlafengehen ging ich einmal mit dem Staubtuch durch mein Zimmer und hielt es zum Ausschütteln aus dem Fenster, wie Mummy es gemacht hat, als ich klein war.
     
    Zwei Tage später. Ich sitze da und schreibe, weil ich nicht weiß, was ich sonst machen soll. Weil ich noch unter Schock stehe. Am Samstag wollte Gerry mit Justin Schuhe kaufen. Die Füße von Kindern in diesem Alter wachsen so schnell, dass sie im Jahr drei Paar aufbrauchen. Sie würden irgendwo was essen, verkündete er, und erst spät zurückkommen.
    »Aber bitte vor sieben«, sagte ich. »Er war schon gestern spät dran, so was darf gar nicht erst einreißen.«
    Es war ein trister Tag. Seit dem Mittag hatte es immer wieder geregnet. Ich beschloss, mich nicht aus dem Haus zu rühren, obwohl ich eigentlich zur Bibliothek hätte gehen müssen, denn ich hatte nichts mehr zu lesen. Ersatzweise stöberte ich in Gerrys Bestand, für den zwei Regalbretter ausreichten. Hebe hat im Jahr höchstens ein, zwei Schmöker gelesen, und Gerry sitzt ständig nur vor dem Fernseher, geradezu lächerlich für einen gebildeten Mann. Ich stieß auf Villette von Charlotte Brontë – wahrscheinlich schulische Pflichtlektüre für Gerry oder Hebe – und stellte sehr schnell fest, dass es furchtbar deprimierend ist. Ich mache mir keine Illusionen über meinen Zustand und meine Stellung in dieser Welt, und die Parallelen zwischen Villette und meinem Fall waren nicht zu übersehen. Hätte ich damals gelebt, hätte ich geradezu als Modell für die Heldin herhalten können. Lucy Snowe – c’est moi. Allerdings zeichnet die Brontë das Bild einer vernachlässigten, einsamen Frau sogar für meinen Geschmack etwas zu düster, deshalb habe ich das Buch schleunigst wieder zugeklappt und stattdessen die Küchenschränke aufgeräumt.
    Sie kamen zwanzig vor acht, und sie kamen nicht allein. Pandora war mitgekommen, Justin hatte sie an der Hand gefasst. Ich sah sie zum ersten Mal, seit sie meinen Fernseher gebracht hatte, und schöpfte keinerlei Verdacht, obwohl von neuen Schuhen nichts zu sehen war. Sie zog die Jacke aus, begutachtete sich im Dielenspiegel und strahlte mich an. Ich dachte, sie hätten sich zufällig irgendwo getroffen, und sie sei mitgekommen, um mit mir irgendein Wohnungsproblem zu besprechen, weil sie meinte, das lasse sich persönlich leichter regeln als am Telefon. Ich hätte sie fast danach gefragt.
    »Justin gehört ins Bett, und zwar sofort«, erklärte ich.
    »Einen Augenblick noch, Jane.« Gerry hatte ganz gegen seine sonstige Gewohnheit Wein eingeschenkt und reichte uns die Gläser.
    Ich setzte mich. »Ich möchte, dass du die Erste bist – bis auf unsere Eltern –, die uns beglückwünscht«, sagte er. »Pandora und ich sind verlobt. Wir werden im November heiraten.«

19
    Ich holte mit der rechten Hand aus, keine Ahnung, warum, vielleicht wollte ich ihn wegstoßen, das Weinglas fiel um und zerbrach, der Wein spritzte in alle Richtungen. Dann wandte ich mich um und lief blindlings die Treppe hoch. In meinem Zimmer warf ich mich aufs Bett. Gerrys Worte hämmerten in meinem Schädel.
    »Pandora und ich sind verlobt. Wir werden im November heiraten.«
    Wie lange ging das schon? Seit der Sache mit dem Fernseher wahrscheinlich, da hatte sie sich hier eingeschmeichelt. Und ich war selber schuld. Mein Pech, wie immer. In meiner Herzensgüte hatte ich Gerry Furnal

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