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Das Geburtstagsgeschenk

Das Geburtstagsgeschenk

Titel: Das Geburtstagsgeschenk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Vine
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meinen Fernseher angeboten. Ebenso gut hätte ich ihm gleich sagen können, dass ich eine Frau für ihn gefunden hatte.
    Sie lief mir hinterher. Das hatte ich gewusst, das heißt gewusst nicht direkt, ein gewisses Maß an Taktgefühl und Rücksichtnahme hatte ich doch erwartet. Wir hoffen ja immer noch auf das Gute im Menschen, trotz aller bitteren Erfahrungen. Sie klopfte. »Hau ab«, sagte ich, aber sie kam herein, ganz verlogene Fürsorge und geheucheltes Mitgefühl.
    »Tut mir leid, dass du es so schwernimmst, Jane. Das musst du doch nicht. Wir möchten, dass du bleibst, wir werden dich brauchen, wenn ich weiter arbeiten gehe, denn das habe ich vor.«
    Sie solle verschwinden, sagte ich.
    »Gerry hätte nicht so mit der Tür ins Haus fallen dürfen. Ich kann verstehen, dass es ein Schock für dich war, aber glaub mir, für dich wird sich kaum etwas ändern. Hier ist alles etwas beengt, das ist mir klar, aber wir werden ein größeres Haus kaufen, vielleicht mit einem eigenen Wohnbereich für dich. Wir können Freundinnen werden, Jane.«
    Und da schlug ich zu. Ich schnellte hoch und traf sie mit der Faust. Sie griff nach meinen Handgelenken, ließ aber mit einem Aufschrei wieder los, als ich ihr mit den Fingernägeln ins Gesicht fuhr. Dann kam er, denn inzwischen schrie sie wie am Spieß, und hielt mich fest und sagte, er werde die Polizei holen – eine leere Drohung natürlich, er würde sich hüten, den Nachbarn so ein Schauspiel zu bieten. Ich schlug ihm kräftig ins Gesicht, und dann war es mit meinem Kampfgeist von einer Minute zur anderen vorbei, und ich warf mich schluchzend aufs Bett. Auch jetzt ließen sie mich noch nicht in Ruhe, obwohl sie kaum Platz im Zimmer hatten. Sie hatte sich ans Bettende gesetzt, er auf den einzigen Sessel, und beide redeten wie mit Engelszungen auf mich ein, sie wüssten ja, ich hätte es nicht so gemeint, ich sei einfach krank.
    »Du solltest zu einer Beratungsstelle gehen, Jane«, sagte sie. »Wir werden dafür sorgen, dass du dort Hilfe bekommst, das sind wir dir schuldig.« Wirklich erstaunlich – ein Mann und eine Frau sind kaum fünf Minuten zusammen, und schon sagen sie »wir«.
    »Von meiner Seite«, sagte Gerry in seiner hochtrabenden Art, »bestand nie die Absicht, dich zum Gehen aufzufordern.« Er fasste sich an die Stelle, die ich getroffen hatte. Sie war knallrot. »Schwamm drüber«, sagte er. »Am besten vergessen wir das alles. Komm, hör auf zu weinen.«
    »Ich mach dir eine Tasse Tee«, flötete sie.
    Als ich sagte, ich würde ihr den Tee ins Gesicht schütten, gingen sie endlich, aber das Haus war so klein und die Wände waren so dünn, dass ich hörte, wie sie nebenan miteinander beratschlagten. Man solle mich in Ruhe lassen, sagte er, am nächsten Morgen würde es mir besser gehen, und sie sagte, sie würde bei ihm bleiben, würde ihn »in dieser schwierigen Situation« nicht alleinlassen. Jetzt war klar, wer in meiner Abwesenheit im Haus gewesen war, wer Justin den Bauernhof geschenkt und sich an den Schmuckschachteln zu schaffen gemacht hatte. Ich rief etwas, aber sie hörten es nicht oder stellten sich taub. Wahrscheinlich hat sie die Perlen bewundert und sich vorgenommen, sie zu tragen, sobald sie hier Fuß gefasst hat.
    Komischerweise konnte ich – erschöpft wie ich war – trotzdem schlafen. Ich überlegte noch, wie ich es anstellen sollte, ungesehen ins Badezimmer zu kommen – dann war es plötzlich stockdunkel, die Straßenlaterne, die mich in meiner elenden kleinen Klause immer blendete, war ausgegangen, und auf meiner Digitaluhr war es vier Uhr früh. Noch immer vollständig angekleidet schlich ich ins Bad. Er hatte die Schlafzimmertür offen gelassen. Nachdem meine Augen sich an die Dunkelheit gewöhnt hatten, sah ich sie in seinem Bett – in Hebes Bett – liegen, sein Kopf auf einem Kissen, ihrer an seiner Schulter. Ich war überzeugt, dass ich kein Auge mehr zutun würde, aber dann schlief ich doch ein und wachte erst um acht wieder auf.
    »Du brauchst keine Beratung«, sagte er, als ich verkündete, dass ich lieber sterben würde, als in diesem Haus zu bleiben, »du brauchst einen Psychiater.«
    Ich zitiere das, damit man sieht, was für üble Kränkungen ich auszuhalten hatte. Ihr sei klar, dass sie mir laut Vertrag die Miete weiter zahlen müsse, erklärte sie auf ihre gönnerhafte Art, aber das sei schon in Ordnung, sie täte es gern. Ich sah die Kratzspuren meiner Nägel in ihrem Gesicht. Wie mochte sie die anderen Leuten erklären?

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