Das Geburtstagsgeschenk
können.
Ivor Tesham ist umgezogen. In der Zeitung stand es nicht – klar, ist ja auch keine richtige Neuigkeit –, sondern in einer dieser farbigen Beilagen im Immobilienteil. Es ist ein tolles Haus in Westminster, wie es sich nur ganz reiche Leute leisten können. Woher mag er das Geld dafür haben? Vor ein paar Monaten ist sein Vater gestorben, ich habe die Todesanzeige gelesen und dass er einen Sohn und eine Tochter hinterlässt, Ivor und Iris – wahrscheinlich hat Ivor den Löwenanteil von dem Vermögen gekriegt. Auf dem Foto in der Beilage steht er vor dem Haus, auf den Stufen zum Eingang, neben ihm diese Carmen, sie hat ein schwarzes Kostüm an, das ihr einen Tick zu eng ist, und an den Füßen »Fick-mich-Schuhe«, wie Hebe immer gesagt hat. Das sind so die Sachen, auf die er steht, passt zu der Maske und dem Hundehalsband und den Sexspielsachen.
Das Foto habe ich ausgeschnitten und in mein Album geklebt. Manchmal frage ich mich, warum ich mich immer noch damit beschäftige und immer neue Sachen einklebe. Vielleicht mit dem Hintergedanken, dass ich es irgendwann mal gebrauchen kann? Mummy sagt, die Beschäftigung mit einem Scrapbook sei bei Erwachsenen ein Zeichen für eine seelische Störung.
Seit ich in der Irving Road bin, habe ich noch keinen Urlaub gehabt. Ich hätte welchen nehmen können – Gerry ist kein Sklaventreiber, das muss man ihm lassen –, aber ich hätte nicht gewusst, wohin, geschweige denn, mit wem ich fahren sollte. In der Bibliothek gab es ein paar Frauen, mit denen ich etwas besser bekannt war, eine wäre wahrscheinlich mitgekommen, aber nachdem ich dort weg bin, haben sie sich nicht mehr gemeldet. Bestimmt haben sie unterhaltsamere Gesellschaft gefunden. Schließlich musste ich mir aber doch zwei Wochen freinehmen, nicht zum Urlaubmachen, sondern weil Mummy krank ist. Das heißt, nicht richtig krank, sie hatte eine Totaloperation und braucht jemanden, der sich um sie kümmert, wenn sie aus dem Krankenhaus kommt. Gerry erklärte sich ohne Murren einverstanden. Jetzt, wo Justin in der Schule sei, kämen sie zu zweit bestens zurecht, sagte er, und Grania oder Wendy würden gern einspringen.
Dieser Mann ist so was von stoffelig – er schien geradezu froh zu sein, dass er mich eine Weile los war.
Ich kam einen Tag vor Mummys Entlassung in Ongar an und muss gestehen, dass ich den Tag und die Nacht allein im Haus sehr genossen habe. Es war ganz anders ohne sie, ruhig und friedlich. Wenn sie ständig herumwuselt und mir ungebetene Ratschläge erteilt, bin ich nie besonders gern da, und während ich mich jetzt an dem Alleinsein in ungewohnt gepflegter Umgebung freute, überlegte ich, wie glücklich ich dort sein könnte, wenn sie nie mehr wiederkäme. Wenn das Haus mir gehörte, wenn ich es geerbt hätte. Aber das war natürlich Wunschdenken. Am nächsten Morgen habe ich sie abgeholt.
Sie nahm sich wieder mal unheimlich wichtig. Eine sehr nette, tüchtige Krankenschwester hatte mir versichert, sie werde keine Schmerzen haben, nur sehr müde sein, und ich dürfe sie nichts Schweres heben lassen. Das war kein Problem, denn Mummy wäre es gar nicht eingefallen, irgendwas zu heben, was schwerer als eine Teetasse war. Sie saß den ganzen Tag nur herum, legte die Beine hoch und jammerte, der Rücken täte ihr weh und der Kopf täte ihr weh und sie fühle sich wie eine ausgenommene Weihnachtspute. Ich hätte lieber heute als morgen wieder meine Sachen gepackt.
Ich hatte Gerry meine Telefonnummer dagelassen, aber er rief nicht an, kein einziges Mal. Eigentlich hatte ich mir fest vorgenommen, nicht mit Mummy zu streiten. Zunächst habe ich mich auch daran gehalten und nur gelächelt, wenn sie mich provozierte, aber nach zehn Tagen heldenmütiger Beherrschung platzte mir der Kragen, und wir kriegten einen Riesenkrach.
Es fing damit an, dass sie sich nach meinem Job erkundigte und als Einleitung sagte, sie habe taktvoll, wie sie sei, ein paar Tage warten wollen, aber jetzt müsse es mal heraus: Sie mache sich Sorgen um mich. Wäre es, wenn ich wirklich Kindermädchen werden wollte, nicht sinnvoll, eine richtige Ausbildung zu machen? Als Norland-Nanny beispielsweise? Norland, Norland, überlegte ich … war das nicht diese Schule, die Kindermädchen für die oberen Zehntausend ausbildet? Na, das fehlte mir noch! Wenn so was mit Kosten verbunden sei, fuhr Mummy fort, wäre sie bereit zu zahlen. Ich hatte eine Stinkwut. War ich nicht alt genug, meine eigenen Entscheidungen zu treffen? Wenn
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