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Das Geburtstagsgeschenk

Das Geburtstagsgeschenk

Titel: Das Geburtstagsgeschenk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Vine
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kalte Füße, Rob«, gestand er. »Buchstäblich. Iris ist meine Schwester, und du weißt, dass ich sie anbete, aber wie du das aushältst, ist mir ein Rätsel.«
    Ich reagierte mit einem Lächeln und dann mit meinem lautlosen Lachen, verzichtete aber auf jeden Kommentar.

18
    Ihre Fotos hat er alle weggeräumt bis auf das eine, auf dem sie windverweht und lachend mit Justin am Strand steht. Die anderen waren plötzlich nicht mehr da. Ich fand sie eines Tages, als er ins Büro gegangen war, in Hebes Ankleidetisch, nicht in der Schublade, in der das Foto von Ivor Tesham gewesen war und in die ich ihren Verlobungsring, das Armband, das Medaillon und natürlich die Perlen gelegt hatte, sondern in der darunter. Sie sind noch alle in ihren Rahmen.
    Offenbar kommt er allmählich drüber weg, dass sie tot ist. Lange genug hat’s gedauert. Wenn wir abends allein zusammensitzen, spricht er nicht mehr von ihr, endlich ist Schluss mit diesen Lobhudeleien. Neuerdings geht er abends aus, und zwar nicht nur zu Fundraising-Veranstaltungen, denn er hat seine bisherige Stelle aufgegeben und »sich verbessert«, jetzt ist er Geschäftsführer einer gemeinnützigen Stiftung, die das Los von Menschen mit Marfan-Syndrom erleichtern will. Warum er dann nicht unsere Wohnsituation verbessert und mit uns in eine exklusivere Gegend mit mehr Grün zieht, ist mir ein Rätsel.
    Angeblich geht er allein ins Kino oder zum Essen, aber ich glaube, dass er eine der anderen mitnimmt, Grania oder die ach so gefällige Wendy. Lucy – man höre und staune – hat geheiratet. Ich frage mich ja, wer eine wie die nimmt, aber man braucht sich nur mal hier beim Einkaufen unter den verheirateten Frauen umzusehen, dann erledigt sich die Frage von selbst. Früher wäre ich neidisch gewesen, weil Gerry mit anderen Frauen ausgeht, aber jetzt ist mir das egal. Als ich herkam, wollte ich mich unbedingt in ihn verlieben, aber er hat meine Liebe abgetötet, ja, so muss man es sagen. Abgetötet mit seiner Kälte, seiner blinden Vergötterung von Hebe, während er mich überhaupt nicht beachtet. Jetzt sagt er ständig – na ja, ein- oder zweimal hat er es gesagt –, dass er nie mehr heiraten wird, und das soll mir recht sein, denn wenn der Job auch nicht das ist, was mir vorschwebte, als ich anfing zu studieren, kriege ich zumindest Geld dafür, und mit dem, was er mir zahlt, und der recht ordentlichen Miete, die ich von Pandora kassiere, stehe ich nicht schlecht da. Ich spare auf einen Neuwagen, eine gebrauchte Kiste will ich nicht mehr.
    Ich habe nichts dagegen, abends allein zu sein, da kann ich entspannen, was ich lange nicht so gut schaffe, wenn er dabeisitzt und Bemerkungen zu den Fernsehsendungen macht oder umschaltet, ohne mich zu fragen. Gestern Abend habe ich Ivor Tesham in einer Talkrunde gesehen, Die Frage des Tages, da ist er zusammen mit Nicola Ross aufgetreten (die ich mal auf der Bühne echte Tränen vergießen sah), einem Labour-Abgeordneten, einem Peer von den Liberaldemokraten und einem Filmregisseur. Er war recht gut, sehr selbstbewusst, kein bisschen verunsichert, als der Labour-Mann ihn wegen der Schulen und der Kopfsteuer und der Arbeitslosigkeit angegriffen hat. Mittendrin kam Justin nach unten, was er eigentlich nicht soll. Er suchte seinen Vater, keine Ahnung, warum, aber er ist gerade in die Schule gekommen und zurzeit schwierig.
    »Daddy geht abends jetzt oft aus«, sagte ich. »Er kann nicht ständig bei dir bleiben, daran wirst du dich gewöhnen müssen.«
    Zugegeben, einen Dienst hab ich Gerry damit nicht erwiesen, aber dass Justin nach allem, was ich für ihn getan habe und was Gerry nicht für ihn getan hat, noch immer auf seinen Vater fixiert ist und mich nicht, wie ich gehofft hatte, als seine neue Mutter akzeptiert, ärgert mich. Durch die Einschulung hat sich nichts gebessert. Er heult, wenn er zur Schule muss, und er heult, wenn er rauskommt und mich am Schultor stehen sieht, was unlogisch ist, aber das kann ich ihm nicht sagen, er würde es nicht verstehen. Er versucht es nicht mal.
    Ich brachte ihn wieder nach oben. Er brauche nicht wach zu bleiben und auf Gerry zu warten, sagte ich, das könne Stunden dauern. So war es auch. Ich war ins Bett gegangen, lag aber noch wach im dunklen Zimmer, und als ich auf die Uhr sah, war es nach zwei. Was kann man in West Hendon bis zwei Uhr früh unternehmen? Früher, als ich ihm noch erzählt hatte, ich sei mit Callum weg gewesen, war mir nie was eingefallen, wo wir hätten hingehen

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