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Das Geflecht

Das Geflecht

Titel: Das Geflecht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Laudan
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verirrten.
    Ich werde diesen Pilz abstoßen, betete sie sich ständig vor. Es ist nur eine Infektion, genauso wie eine Grippe.
    Diese Gedanken stärkten sie für die Herausforderungen, die vor ihr lagen. Die erste war der mühselige Aufstieg durch einen zerklüfteten Schacht, der aufgrund seiner Steigung kein aufrechtes Gehen erlaubte. Erneut musste sich die Gruppe auf allen Vieren vorarbeiten, diesmal unter verschärften Bedingungen, da jedes Abrutschen zu Verletzungen führen konnte. Dana biss die Zähne zusammen, mühte sich vorwärts und ignorierte das unangenehme Gefühl, die Pilzranken unter ihren Handflächen zu spüren. Glücklicherweise wurde die Steigung nach einiger Zeit flacher, und der Boden war von zahllosen Rissen und Stufen durchsetzt, sodass ihre Hände leicht Halt fanden.
    «Es kann nicht mehr lange dauern!», ermutigte Tia die Gruppe, während sie vorauskroch und eine Kaskade rascher Zungenlaute in die Dunkelheit schoss. «Ich glaube, wir erreichen bald einen Raum mit ebenem Boden.»
    «Kaum zu glauben», meinte Justin, «dass so eine weitläufige Höhle nie entdeckt wurde.»
    «Sie würden sich wundern, Justin! Man schätzt, dass bis heute weltweit nur ein Drittel aller Höhlen bekannt ist. Ich lese ständig Berichte über zufällige Entdeckungen beim Bau von Kanalisationen oder Autobahntunneln.»
    «Wie spät es wohl sein mag?», fragte Leon, der wie üblich die Nachhut bildete. «Ob draußen schon die Sonne aufgeht?»
    «Nein, noch lange nicht», antwortete Tia. «Es ist mitten in der Nacht – gegen drei Uhr, schätze ich.»
    Drei Uhr   …
die Worte echoten in Danas Kopf. Plötzlich musste sie an ihre Mutter denken, die Angstzustände bekam, wenn ihre Tochter nicht spätestens um zehn Uhr abends zu Hause war. Was sie wohl gerade tat? Ob sie vor dem Eingang des Bergwerks ausharrte, krank vor Sorge und Angst, ungeschickt getröstet von ihrem älteren Bruder? Ob sie womöglich sogar einen Nervenzusammenbruch erlitten hatte? Ausgeschlossen war das nicht – immerhin brauchte sie schon Beruhigungsmittel, um einen Zahnarztbesuch oder eine Zugfahrt zu überstehen.
    «Stopp!», unterbrach Tia ihre Gedanken. «Ab hier wird es noch einmal ziemlich eng.»
    «Na, das sind wir doch inzwischen gewohnt», meinte Justin stoisch.
    «Dana?» Tia wandte sich zu ihr um. «Schaffen Sie das? Es sind schätzungsweise fünfzehn Meter.»
    «Wird schon gehen», sagte Dana tapfer.
    «Na dann los! Langsam kriechen, und immer schön den Kopf unten halten.»
    Der Engpass stellte sich als gewundener Tunnel mit einem Durchmesser von weniger als einem Meter heraus. Tia schlüpfte mühelos hinein und zog sich auf den Ellbogen vorwärts.Bemüht, sich gleichermaßen furchtlos zu zeigen, kroch Dana hinterher. Es fiel ihr schwer, einen Schauder zu unterdrücken, nicht nur beim Gedanken an die unzähligen Tonnen von Felsgestein, die über der engen Röhre lasteten und sie von allen Seiten einschlossen. Viel schlimmer war die Tatsache, dass sämtliche Wände dicht vom Pilzgeflecht bedeckt waren. Einzelne Fäden spannten sich quer von einer Seite zur anderen, und man musste sie aus dem Weg wischen wie Spinnweben. Unwillkürlich dachte Dana an das Innere eines Abflussrohrs, ausgekleidet mit seifigen Belägen und verklumpten Haaren.
    Schluss!, befahl sie sich selbst. Denk nicht an so etwas! Keine Metaphern, keine Vergleiche, kein Was-wäre-wenn!
    In der vergangenen Stunde hatte sie eine Technik entwickelt, um aufkeimende Panik abzuwürgen, indem sie negative Suggestionen rigoros unterbrach. Der Effekt hielt nicht sehr lange vor, doch immerhin gelang es ihr, mit einem simplen «Schluss!»-Befehl das schlimmste Wuchern ihrer Gedanken zu unterbinden. Das war keine leichte Übung, denn ihre Phantasie malte die unsichtbare Umgebung stets in den schrecklichsten Farben aus – und Phantasie ließ sich nur schwer unterdrücken, zumal sie im gewöhnlichen Leben zu Danas größten Stärken zählte.
    Denk nicht an Abflussrohre. Denk   … an einen Tunnel, an dessen Ende Licht scheint! Nein, blöde Idee, so etwas sehen viele Leute kurz vor ihrem Tod. Denk an   … das Geborenwerden! Du durchquerst einen Tunnel, und wenn du es geschafft hast, ist draußen Licht und Leben, und eine Mutter nimmt dich in den Arm und drückt dich an ihre Brust   …
    «Au!», entfuhr es Justin, der unmittelbar hinter ihr kroch.
    «Justin?», rief Tia nach hinten. «Alles in Ordnung?»
    «Schon gut! Ich bin nur mit dem Nacken über irgendeinen Vorsprung in der Decke

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