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Das Geflecht

Das Geflecht

Titel: Das Geflecht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Laudan
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bestand darin, dass Tia Traveen einen Weg ins Freie fand. Sie rettete das Leben seines Sohnes, und er würde nicht dulden, dass Böttcher ihr Gewalt antat.
    «Ich werde das nicht zulassen», sagte er laut und zwang sich, seinem Widersacher gerade in die Augen zu sehen. «Lass mich durch, Hartmut! Lass mich nach draußen!»
    Böttcher schüttelte stumm den Kopf, die Hacke in der rechten Hand leicht erhoben.
    «Wirst du mich mit dem Ding niederschlagen, wenn ich es versuche?»
    «Ungern», sagte Böttcher. «Es kommt ganz auf dich an.»
    Sie fixierten einander stumm.
    Bringshaus atmete rasch. Eine Idee streifte ihn – eine aberwitzige, verzweifelte Idee. Er würde nicht tun, was Böttcher von ihm verlangte, aber auch nicht versuchen, an ihm vorbeizukommen. Stattdessen würde er etwas ganz und gar Unerwartetes tun. Er würde Justin zur Hilfe eilen – und dies gab ihm zugleich die Gelegenheit, Tia Traveen zu warnen. Er zögerte, der Gedanke schien allzu kühn. Doch ihm blieb keine andere Wahl, deren Konsequenzen er zu akzeptieren bereit war.
    Zeig einmal im Leben ein wenig Mut!, sagte eine Stimme in seinem Kopf. Nur ein einziges Mal!
    Bringshaus atmete einmal tief durch. Dann fuhr er herum und rannte los, blindlings den Gang hinab.
    «Jörn!», hörte er Böttcher hinter sich rufen. «Was soll das? Bist du wahnsinnig geworden?»
    Ja, schrei nur!, dachte Bringshaus in einem Anflug von wildem Triumph. Vielleicht bist du stärker als ich, aber sicher nicht schneller.
    «Jörn! Komm zurück!»

••• 02   :   52 ••• TIA •••
    Zum neunten Mal tauchte Tia aus dem Syphon auf, kroch an Land und ließ sich keuchend an einen steinernen Höcker sinken.
    «Ich kann nicht mehr.»
    Die Worte waren weniger an Justin und Dana gerichtet, die engumschlungen in der Dunkelheit hockten – sie hatte einfach das Gefühl, es aussprechen zu müssen, um vor sich selbst zu begründen, warum sie eine Pause brauchte. Ihre Arme und Beine schmerzten vor Anstrengung, Finger und Zehen waren gefühllos, und sie schlotterte derart vor Kälte, dass ihr Herz bedenkliche Sprünge machte. Noch nie – dachte sie bitter – war sie derart an der Grenze ihrer Leistungsfähigkeit gewesen. Nie hatte sie aus reiner Erschöpfung aufgeben müssen, schon gar nicht, wenn ein Leben auf dem Spiel stand. Nun aber war die Gefahr zu groß, dass ein weiterer Tauchgang ihr eigenes Leben gefährdete.
    «Was kann denn nur geschehen sein?», flüsterte Dana, die angesichts des desolaten Zustands ihrer Führerin kaum laut zu sprechen wagte.
    «Er muss   … an einer   … anderen Stelle   … aufgetaucht sein», stieß Tia zwischen hechelnden Atemzügen hervor.
    Anders konnte sie sich Leons Verschwinden in der Tat nicht erklären. Das Gewässer war weit ausgedehnter, als sie angenommenhatte, und verband offenbar eine ganze Flucht unterirdischer Hohlräume. Wieder und wieder war sie hinabgetaucht, hatte systematisch das Wasser durchpflügt, alle Wände abgetastet und sogar den Grund erreicht, der aus glattem Kalkstein bestand. Doch die Anlage des Syphons war winklig und verwirrend: Es gab eine ganze Anzahl von Spalten und Kanälen, die sich in verschiedene Richtungen öffneten, und Tia hatte Mühe gehabt, auch nur einige von ihnen zu erkunden und nachher den Rückweg wiederzufinden. Mehrmals war sie in unbekannten Räumen aufgetaucht, einer davon mit so niedriger Decke, dass es ihr kaum gelungen war, den Kopf aus dem Wasser zu strecken. Nirgends hatte sie eine Spur von Leon entdeckt, hatte wieder und wieder gerufen, vergeblich gelauscht und schließlich aufgegeben. Dass sie nicht in der Lage war, das Höhlensystem in ihrem Geist abzubilden, traf Tia hart. Normalerweise war räumliches Vorstellungsvermögen eine ihrer Stärken, doch unter Wasser versagten alle ihre Ortungssysteme, das Zungenecho, der Geruchssinn und sogar die Empfindlichkeit ihrer halb erfrorenen Haut.
    Wenn er nun ertrunken ist   …
    Doch sie war entschlossen, diesen Gedanken nicht zuzulassen. Leon musste am Leben sein, er war ein guter Schwimmer, und sie hatte keine Luftblasen aufsteigen hören, als er plötzlich auf halbem Weg verschwunden war.
    «Er muss in irgendeiner benachbarten Höhle sein», redete sie sich ein, noch immer krampfhaft atmend.
    Ein Scharren verriet, dass Dana an ihre Seite kroch. Unbeholfen tastete das Mädchen nach Tias Arm, ergriff ihre Hand und schmiegte sich an sie.
    «Es tut mir so leid», sagte sie. «Kann ich irgendetwas tun?»
    «Ja – bleiben Sie bei

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