Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Geflecht

Das Geflecht

Titel: Das Geflecht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Laudan
Vom Netzwerk:
ich dabei.»
    Sie gingen zum Wagen zurück, wobei Carolin sich in Gedanken immer wieder die rätselhaften Silben aus dem Funkspruch vorsagte.
    Onesi   … ahl   … onesi   … ahl   …

fällt mir dazu nicht irgendetwas ein?

••• 03   :   10 ••• BRINGSHAUS •••
    «Jörn! Komm zurück! Sei vernünftig!»
    Noch immer hörte Bringshaus die Stimme seines ehemaligen Geschäftspartners. Sie drang nur undeutlich zu ihm, fern und von Echos überlagert. Er zweifelte nicht daran, dass Böttcher ihn verfolgte, auch wenn er weit zurückgeblieben sein musste. Vor seinem geistigen Auge erschien das Bild des breitschultrigen Mannes, der durch den unterirdischen Gang stapfte, die Hacke in den Händen. Was würde er tun, wenn er ihn einholte?
    «Das ist doch sinnlos, Jörn! Du wirst dir den Hals brechen!»
    Bringshaus ignorierte die Rufe in seinem Rücken. Blindlings war er in die Höhle hineingerannt, über loses Geröll gestolpert,wieder auf die Beine gekommen und weitergehastet, ohne sich umzublicken. Zahllose Male war er an Gesteinszacken vorbeigeschrammt oder mit dem Kopf an die niedrige Decke gestoßen, da er sich keine Zeit nahm, seine Umgebung auszuleuchten. Dass er bis auf oberflächliche Schürfwunden unverletzt war, verdankte er in erster Linie seinem Grubenhelm. Er wagte nicht daran zu denken, was geschehen würde, wenn sich der Gang als Sackgasse erwies.
    Stattdessen jedoch verbreiterte sich der Erdspalt und öffnete sich plötzlich zu einem wahren Labyrinth. Es war kein einzelner Raum, sondern eine ganze Traube von Kammern und Nischen, durchsetzt von grotesk verzweigten steinernen Säulen. Bringshaus hielt inne. Die Anlage war derart unübersichtlich, dass er das Gefühl hatte, in einem Wald zu stehen, dessen Bäume nicht senkrecht, sondern in alle möglichen Richtungen wuchsen. Selbst die Stablampe half ihm nicht weiter, denn die wandernden Schlagschatten verwirrten ihn zusätzlich. Zu allem Unglück war der Boden keineswegs eben, sondern ein chaotisches Relief aus Stufen, Spalten, Terrassen und unterschiedlich geneigten Flächen, wie ein verstreuter Haufen riesiger Bauklötze.
    Mangels Alternative begann Bringshaus sich langsam voranzutasten. Mehrmals musste er Säulen ausweichen, verstreute Felsblöcke umrunden und über steinerne Stufen steigen. Wenn er die Lampe schwenkte, sah er immer das gleiche Bild: ein Wirrwarr unregelmäßiger Formen und Strukturen.
    Das hat keinen Zweck, dachte er. Ich könnte die ganze Zeit im Kreis gehen und es nicht einmal merken.
    Plötzlich glaubte er einen Luftzug zu spüren, der über seine Stirn strich. Erstaunt wandte er das Gesicht nach oben und entdeckte weit über sich in der Finsternis einen winzigen Lichtpunkt.
    Licht? Warum war dort oben Licht?
    Er tastete sich ein Stück nach links, im Sekundentakt von unten nach oben blickend, um seine Füße sicher setzen zu können, ohne die Erscheinung aus den Augen zu verlieren. Einmal wurde der Lichtfleck kurz von einem Schatten verdeckt, dann flammte er wieder auf, deutlicher als zuvor. Bringshaus richtete die Lampe zur Decke. Unmittelbar über seinem Kopf erkannte er eine trichterförmige Öffnung, die in einen schmalen, senkrecht aufwärts führenden Schacht überging. An dessen Ende glühte der geheimnisvolle Lichtpunkt.
    Es ist ein Stern, dachte Bringshaus. Dieser Schacht führt an die Oberfläche, kaum zehn Meter über mir! Ich blicke direkt in den Nachthimmel.
    Bringshaus trat einen weiteren Schritt vor, den Kopf in den Nacken gelegt. Er achtete nicht auf seine Füße – nur eine Sekunde lang.
    Doch diese eine Sekunde genügte. Er trat ins Leere. Ein mächtiger Ruck ging durch seinen Körper, ein Gefühl wie in einem plötzlich abstürzenden Fahrstuhl. Er kam nicht dazu, mit den Armen zu rudern, das Gleichgewicht zu suchen, nach Halt zu tasten – er kam nicht einmal zum Schreien. Stattdessen spürte er, wie die Schwerkraft ihn packte und in die Tiefe riss.
    Er rechnete mit schneidendem Schmerz, einem Aufschlag auf hartem Fels, der ihm sämtliche Knochen brach. Doch er fiel nur wenige Meter tief – und landete weich. Wasser spritzte auf, während sein Körper in eine zähe, schlammige Substanz einsank. Kälte Nässe durchdrang seine Kleidung, und ein fauliger, erstickender Geruch hüllte ihn ein. In einem verspäteten Reflex schrie er auf, schlug um sich und begriff kaum das Wunder, dass er unverletzt war.
    Panisch tastete er nach der Stablampe, die ihm aus der Hand gefallen war, bekam sie endlich

Weitere Kostenlose Bücher