Das gefrorene Lachen
mit einer müden Geste über die Augen. Pippa musterte ihn besorgt. »Eine schlechte Nachricht, Papa?«
Er seufzte und steckte die Brille weg. »Wieder eine Duellforderung«, sagte er. »Als hätte ich nichts Besseres zu tun.« Er ging zum Tisch, tunkte die Feder ein und schrieb ein paar Zeilen auf ein Blatt Papier. Er ließ die Tinte trocknen und starrte währenddessen nachdenklich auf das Geschriebene.
Pippa durchforstete ihr Gedächtnis nach dem, was sie über die Regeln magischer Duelle wusste. Jeder Zauberer mindestens dritten Grades durfte jeden gleich- oder höherrangigen Zauberer ohne Angabe von Gründen zumDuell fordern. Der Geforderte musste annehmen (was Philippa reichlich seltsam fand – was, wenn man sich einfach nicht duellieren mochte?), hatte aber die Wahl, in welcher Form und zu welchem Preis das Duell stattfinden sollte. Der Gewinner des Duells erhielt dann eine Auszeichnung und den von seinem Gegner ausgewählten Preis.
Aber wie lauteten die Regeln, wenn der Geforderte das Duell ausschlug? Philippa konnte sich nicht daran erinnern, darüber etwas gelesen zu haben. So etwas passierte wohl so gut wie nie. Zauberer waren eine eitle, eingebildete Bande, hatte ihr Vater sich einmal beklagt, und Philippa hatte darüber sehr gelacht. Ihr Vater war ganz sicher alles andere als eingebildet oder eitel!
Sie sah, wie Laurentio sich aufrichtete und mit einer beiläufigen Handbewegung das beschriebene Papier zu einem winzigen Zettelchen schrumpfte. Er rollte es zusammen und steckte es in das Röhrchen, aus dem er eben den Brief des anderen Magiers gezogen hatte.
»Hast du schön geübt?« Er wartete ihr Nicken nicht ab. »Räum bitte die Werkstatt auf«, hörte Pippa ihn noch rufen, dann schloss sich die Tür hinter ihm.
Es gab wie immer viel aufzuräumen, Laurentio war nicht der Ordentlichste. Pippa sah sich resigniert um. Ihre Ausbildung war abwechslungsreich, und sie bereute es nicht, ihrem Vater damit so lange in den Ohren gelegen zu haben, bis er nachgegeben hatte (obwohl das eigentlich kein ordentlicher Beruf für ein Mädchen war, wie er stets betonte). Als Zauberer musste man hinterdie Dinge blicken können, und das faszinierte sie. Sie liebte die Stunden, in denen Laurentio ihr einen Zauber erklärte, auch wenn ihr Vater dazu neigte, vom Thema abzuschweifen und hin- und herzuspringen, was es manchmal schwierig machte, einen komplexeren Ablauf zu begreifen. Aber es gab ja immer noch die Bücher, in denen sie alles nachlesen konnte.
Sie mochte auch den Teil ihrer Ausbildung, in dem es darum ging, Tränke zu mischen, Kräuter zu sammeln, die Natur zu beobachten und den Taubenschlag zu säubern. Na gut, das war weniger lustig, aber Pippa verstand sich gut mit den Tauben, und die Vögel mochten sie, das erleichterte die Arbeit natürlich.
Sie bereute es also wirklich nicht, diese Ausbildung begonnen zu haben. Aber dieser spezielle Teil ihres Aufgabenbereiches, mit dem sie sich jetzt herumschlagen musste, ging ihr, um der Wahrheit die Ehre zu geben, ein wenig auf die Nerven.
Pippa lehnte den Besen in die Ecke und sah nach, ob sie die Tür gut hinter sich geschlossen hatte. Dann hob sie in einer befehlenden Geste die Hände. Zögerte. Die Geschichte von dem Zauberlehrling im ersten Ausbildungsjahr, der seinen Besen nicht mehr in den Griff bekommen hatte, ging ihr durch den Kopf. Jemand hatte sogar ein Spottgedicht darüber verfasst. Ihr Vater hatte ihr die Geschichte oft genug erzählt und behauptet, sie sei einem anderen Lehrling seines alten Meisters zugestoßen. Pippa vermutete allerdings, dass ihr Vater selbst dieser Lehrling gewesen war und immer noch an seiner damaligen Blamage zu kauen hatte. In ihrem Beiseinhatte er jedenfalls noch nie einen Besen in die Hand genommen.
Sie rekapitulierte kurz im Kopf die nötigen Schritte. Erwecken, Auffordern, Anweisen, Entbinden. Hatte sie etwas vergessen?
Sie ließ ihre Blicke noch einmal über den schmutzigen Boden, die überquellende Werkbank und die Spinnweben an der Decke gleiten. Dann hob sie erneut die Hände und sagte: »Erhebe dich!«
Der Besen schüttelte sich und richtete sich auf. Seine Borsten kratzten über den Boden und wirbelten kleine Staubwölkchen auf. Pippa glaubte sein erwartungsvolles Starren zu spüren, obwohl der Besen natürlich keine Augen hatte. Sie leckte sich über die Lippen und befahl: »Ans Werk!«
Der Besen fegte los und Pippa brachte sich mit einem beherzten Sprung auf einen Stuhl in Sicherheit. Von dort beobachtete sie
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