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Das gefrorene Lachen

Das gefrorene Lachen

Titel: Das gefrorene Lachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ueberreuter
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einem zaubernden Mädchen gehört. Schlag dir das endlich aus dem Kopf.«
    Pippa erwiderte seinen Blick nicht weniger böse. »Dann werde ich eben Köchin. Zarter Blütenzauber bildet mich bestimmt gerne aus.«
    Lorenzo legte den Kopf in den Nacken und bellte ein Lachen hinaus, das eher einem Wutschrei glich. »Köchin«, lachte er. »Und du willst dich von dem da ausbildenlassen?« Er wies mit einer höhnischen Geste auf den Wagen des Kraftmenschen. »Das wird ganz große Kunst sein, die du lernst. Kartoffeln kochen und Würstchen heiß machen. Brote belegen und Tee zubereiten. Ich gratuliere dir zu deinem Ehrgeiz, Tochter!«
    Pippa dachte an das wunderbare Omelett und die vielen anderen Leckereien, mit denen Zarter Blütenzauber sie verwöhnte, und schnaubte verächtlich. »Was weißt du denn schon!«
    Er war mit einem Satz bei ihr und hatte ihren Arm gepackt. Sein Zylinder fiel herab, aber ehe er im Matsch landen konnte, hatte Lorenzo mit der Zunge geschnalzt und der Hut saß sicher auf seinem Kopf. Leute blieben stehen und schauten erwartungsvoll zu ihnen herüber.
    »Du kommst jetzt mit mir«, flüsterte Lorenzo scharf. »Keine Streitereien vor Publikum – und die Vorstellung darf nicht gestört werden. Lorenzo der Große lässt niemals einen Auftritt platzen, weil er seine Requisiten nicht findet oder seine Assistentin nicht im Griff hat, hast du mich verstanden?«
    Sie erwiderte seinen Blick, ohne zu blinzeln, aber dann nickte sie. Die Vorstellung muss laufen, das war die eiserne Regel, der sich alles unterzuordnen hatte. Wenn sie etwas mit ihrem Vater zu klären hatte, dann musste das hinterher passieren.

11
    Was Schicksal auflegt, muss der Mensch ertragen,
Es hilft nicht, gegen Wind und Flut sich schlagen.
    Heinrich IV.
    Während der zweiten Nummer, die ein einfacher Verschwindezauber war, bemerkte Pippa, dass ihr Vater unkonzentriert war. Er ließ eine Kugel fallen, ehe er sie verschwinden lassen konnte, und vertauschte die beiden Kästen, aus denen er sie wieder hätte herausholen müssen.
    Pippa lächelte, warf Kusshände und hob die Kugel auf, knickste und winkte und schob mit dem Ellbogen den Kasten wieder an die richtige Stelle.
    Es ging so weiter. Lorenzo arbeitete sich verbissen durch seinen Auftritt, bei dem nichts so klappen wollte, wie es geprobt war. Tücher, die er aus dem Ärmel zog, blieben hängen und zerrissen, Tauben flogen im falschen Moment aus seinem Frack, Gläser zerbrachen und chinesische Kästchen ließen sich nicht öffnen. Lorenzos Miene wurde düsterer und düsterer, seine Hände immer unsicherer und sein Blick brannte vor Zorn.
    Dann, in der Mitte des Programms, gab er auf und begann zu zaubern . Pippa knickste und lächelte, um ihr Erschrecken zu verbergen.
    Jetzt lief alles rund, und auch das Publikum, das bisdahin unruhig und laut gewesen war, verstummte und folgte gebannt der Vorstellung. Tauben flogen durch brennende Reifen, die aus dem Nichts erschienen und wieder verschwanden, Papierblüten explodierten wie winzige Feuerwerke, Kartenspiele blätterten sich von ganz alleine auf und tanzten über den Tisch, Wasser sprudelte aus einem Glas und verwandelte unablässig seine Farbe, lief wie ein kleiner Wasserfall über den Tisch und verdampfte, ehe es auf dem Boden auftraf, in einer goldenen Wolke.
    Lorenzo schaute währenddessen überaus verkniffen drein und sagte nichts mehr, aber das störte die Zuschauer nicht. Ihre Augen hingen gebannt an den Wundern, die auf der Bühne passierten, und es war so still im Theater, dass das Gurren der Tauben unter dem Dach deutlich zu hören war.
    Der Zauberer sprang zum letzten Teil des Programms. »Schwerter«, zischte er zu Pippas Entsetzen.
    »Bitte nicht, Papa«, hauchte sie ihm zu, aber er sah über ihren Kopf hinweg und kniff die Lippen zusammen. »Schwerter«, wiederholte er stur.
    Pippa lief resignierend nach hinten und gab dem Requisiteur ein Zeichen, den Korb mit den Schwertern nach vorne zu tragen. Sie selbst rollte die Kiste auf die Bühne. Die Kiste, die sie am allermeisten von allen Kisten hasste.
    »Wir haben das nicht geprobt«, wisperte sie Lorenzo zu, als sie zu ihm ging.
    Er hob eine Braue, legte mit großer Geste seinen Mantel in ihre Arme und reichte ihr seinen Hut. »Wer warheute nicht bei der Probe, hm?« Sein dunkelrotes Haar leuchtete im Schein der Gaslampen.
    Pippa lächelte und knickste und trug Mantel und Hut zum Tisch. Das tat er, um sie zu bestrafen. Er wusste, wie sehr sie die »Durchbohrte Jungfrau«

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