Das gefrorene Lachen
zu. »Du hast so gerumpelt und gerappelt, ich hatte Angst, dass die Kiste umfällt!«
Pippa schluckte ihre Antwort hinunter. Sie war schrecklich müde. Lorenzo nahm seinen Mantel und ging. Pippa begann die Bühne aufzuräumen und sammelte alle heruntergefallenen, zerbrochenen und wütend weggeworfenen Requisiten ein.
Um sie herum bauten die Arbeiter das Bühnenbild für das Stück auf, das im Anschluss gegeben wurde.
Nachdem sie sich umgezogen hatte, hockte sich Pippa auf Lorenzos Tasche und schaute eine Weile zu, wie Mauern aus Leinwand und Sperrholz um sie herum emporwuchsen. Möbel wurden hereingeschleppt, die Lampen ausgerichtet, von oben erklangen die Rufe der Schnürbodenmänner, die die Prospekte für den zweiten und dritten Aufzug herunterließen. Wenn in der Pause das Gemach abgebaut wurde, wartete schon der Wald dahinter.
»Hallo, Pippa«, grüßte sie der Bühnenmeister. Seine Widderhörner zeichneten sich scharf gegen das Licht ab, das von der Seitenbühne kam.
»Hallo, Hans«, erwiderte Pippa müde und stand auf. Sie nahm die schwere Tasche und Lorenzos Zylinder und ging hinaus.Vor dem Wagen, den sie mit ihrem Vater bewohnte, stellte sie die Tasche ab und kämpfte mit sich. Sie hatte sich geschworen, nie wieder einen Fuß dort hineinzusetzen, aber wie sollte das gehen? Sie konnte ja schlecht ab jetzt dem Koch zur Last fallen, und um einen eigenen Wagen zu bekommen, müsste sie den Prinzipal davon überzeugen, dass sie ihn benötigte. Oder seiner würdig war oder was auch immer. Assistentinnen und Lehrlinge bekamen keine eigenen Wagen zugewiesen, sie wohnten entweder bei ihren Eltern oder bei ihren Ausbildern.
Pippa stieß die Luft aus und nahm die Tasche wieder auf. Sie erklomm die drei Stufen zur Tür, stieß sie auf und stellte die Tasche an ihren Platz unter dem Schminktisch. Der Zylinder landete auf dem Perückenkopf. Dann stand sie da, mit leeren Händen, und schaute sich verloren um.
Lorenzo war nicht da. Sein Frack hing ordentlich am Bügel, also war er hier gewesen und hatte sich umgezogen.
Mit einem erleichterten Seufzer holte sie ihre Hängematte unter Lorenzos Bett hervor, rollte sie auf und hängte sie an die Haken. Sie zog die dünne Rosshaarmatratze darin zurecht, schlug das kleine Kissen auf und rannte noch einmal nach draußen zur Pumpe.
Wenig später lag sie unter ihrer warmen Decke und lauschte auf die Stimmen und das Getrappel von Füßen auf dem Platz. Die Abendvorstellung
begann in ein paar Minuten. Es war viel zu früh, um schon schlafen zu gehen, aber sie war so schrecklich müde …
Es war dunkel und still. Sie konnte die Umrisse von Wänden und Möbelstücken erkennen und in einem schmalen Streifen Mondlicht, das durch einen Spalt fiel, den Widerschein von etwas Glänzendem – ein Lampenschirm, ein Glas oder ein Schwert. Sie tastete sich weiter. Ihr Fuß stieß gegen eine hervorspringende Verstrebung, auf der ein Gewicht lag. Sie umrundete das Hindernis und gelangte auf eine freie Fläche. Ihre Schritte, die vorher hohl und dumpf geklungen hatten, hallten nun, als wäre sie in einen großen, leeren Raum getreten. Es war stockfinster. Sie tastete sich weiter voran. In der Dunkelheit vor ihr raschelte und atmete etwas. Sie hörte ein Flüstern. Mit ausgestreckten Händen ging sie langsam weiter. Ihre Finger berührten etwas Weiches, das schwingend nachgab – einen schweren Vorhang. Sie tastete sich hindurch, verlief sich in den Falten, kämpfte sich durch das staubige, nach Mottenkugeln riechende Stofflabyrinth und gelangte endlich hustend ins Freie. Auch hier war es dunkel. Zögernd tastete sie sich weiter voran. Wieder klangen ihre Schritte dumpf, die Luft war stickig und roch nach altem Staub, Holz und Metall, Farbe und Puder.
Wieder das Flüstern und Atmen. Sie ging noch langsamer weiter, tastete mit den Füßen nach Hindernissen, hielt die Hände ausgestreckt. Glaubte, ihren Namen in dem Wispern, Rascheln und Flüstern zu hören.
Jemand hielt sie fest, legte von hinten die Arme um sie. Lippen berührten ihren Nacken und ihr Ohr.
Sie atmete scharf und erschreckt ein, aber die Berührung war sanft und beruhigend. Sie lehnte sich zurück und fühlte einen warmen, festen Körper.
»Lancelot«, wisperte sie. »Wenn mein Vater uns sieht …«
Der Mann hauchte ihren Namen. Schnelle, kleine Küsse tupften auf ihren Hals und ihre Wange. Sie drehte sich in seiner Umarmung, bis sie Wange an Wange mit ihm stand. Weich wie ein Pfirsich, dachte sie. Er roch gut, nach
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