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Das gefrorene Lachen

Das gefrorene Lachen

Titel: Das gefrorene Lachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ueberreuter
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fürchtete.
    Sie atmete tief ein und aus und beruhigte ihr schnell schlagendes Herz, während Lorenzo an der Rampe die Schwerter vorführte und auf die Kiste mit den schmalen Schlitzen deutete. Dann bat er einen Mann aus dem Publikum, eins der Schwerter zu begutachten. Er ließ dem Mann die freie Wahl, scherzte währenddessen mit ihm und legte ihm jovial die Hand auf die Schulter, und der verlegen dreinschauende Mann merkte gar nicht, dass er dazu gebracht wurde, das einzige scharfe unter all den harmlosen Schwertern herauszuziehen.
    »Was sagen Sie dazu?«, fragte Lorenzo.
    Der Mann hielt das Schwert weit von sich weg, nickte und murmelte etwas.
    »Was haben Sie gesagt?«, fragte der Magier und verstärkte ungeduldig das Wispern des Mannes.
    »Es ist schwer. Und ganz schön scharf. Ein richtiges Schwert, jawohl.«
    »Danke, mein Herr. Sie sind ein echter Kenner«, sagte Lorenzo und schickte ihn mit einem Klaps auf die Schulter wieder in den Zuschauerraum zurück. »Dann werde ich Ihnen jetzt beweisen, wie recht Sie mit Ihrem Urteil haben. Assistentin.« Er schnipste und Pippa brachte ihm den Kohlkopf. (Manchmal war es ein Kürbis, manchmal eine Wassermelone oder eine Steckrübe, und einmalhatte Zarter Blütenzauber nichts anderes als ein Bund Möhren in der Vorratskammer gefunden. Lorenzo hatte sich schrecklich darüber aufgeregt und sich gleich beim Prinzipal beschwert. Seitdem war immer ein Kohlkopf für den Notfall vorrätig.)
    Sie legte das Gemüse auf einen Schemel und Lorenzo ließ das Schwert darauf niedersausen. Es blitzte im Licht, gab einen scharf sausenden Ton von sich, dann tat es einen dumpfen Schlag und der Kohlkopf lag säuberlich in zwei Hälften geteilt auf dem Boden. Morgen würde es wohl wieder Kohlsuppe geben.
    Pippa seufzte unhörbar und ging zu der Kiste. Lorenzo hob den Deckel, sie stieg hinein (natürlich nicht, ohne ein paar Kusshände zu werfen), der Deckel schloss sich über ihr. Durch die schmalen Schlitze fiel mattes Licht. Pippa ruckelte sich zurecht und wartete auf das erste Schwert – das scharfe. Es würde dicht an ihrer Schulter vorbei gesteckt werden, und wenn sie nicht höllisch aufpasste, passierte das, was ihr eine lange Narbe am Schulterblatt beschert hatte. Sie seufzte wieder und hielt den Schlitz im Auge. Da kam die Klinge, schob sich so dicht an ihr vorbei, dass sie die Kälte auf der Haut spürte, und verschwand mit der Spitze in dem Austrittsschlitz. Das war geschafft. Pippa atmete aus und drehte sich so, dass sie das kalte Schwert im Rücken spürte. Die Schneide war so gedreht, dass sie sich nicht verletzen konnte. Sie lehnte sich fest gegen den harten Stahl und krümmte sich so weit zusammen, dass sie das nächste Schwert greifen und in den Austrittsschlitz führen konnte.
    Die folgenden Schwerter sahen täuschend echt aus, sie blinkten wie Stahl, aber sie waren weich und biegsam und hatten stumpfe Spitzen und Schneiden. Pippa verdrehte sich erneut, presste sich gegen das Schwertblatt in ihrem Rücken und ließ das nächste Schwert unter ihren Beinen durchlaufen. Sie musste nun mit angehobenen Beinen liegen, und mit jedem Schwert wurde es schwerer, ihre Lage zu verändern.
    Endlich verdrehte sie den Arm und lenkte das letzte Schwert an ihrem Hals vorbei in seinen Ausgang. Jetzt musste sie nur noch in dieser Haltung still liegen bleiben, bis Lorenzo die Kiste gedreht und gezeigt hatte, dass die Schwerter wirklich kreuz und quer hindurchgesteckt waren.
    Pippa zitterte vor Anstrengung. Sie war eindeutig zu groß für diese Nummer. Die kleine, zierliche Marie-Belle hätte sicher keine Probleme dabei, sich in der Kiste zusammenzukauern, zu drehen und zu wenden wie ein Fisch.
    Endlich begann Lorenzo damit, die Schwerter wieder zu entfernen. Er hatte diesmal besonders lange damit gewartet, besonders lange mit dem Publikum gescherzt. Das tat er nur, um sie zu bestrafen.
    Das scharfe Schwert wurde als letztes herausgezogen, Pippa hörte, wie es durch die Luft pfiff und den armen Kohlkopf in vier Stücke zerteilte. Lorenzo war offensichtlich übel gelaunt, aber das war kein Wunder. Der Abend war katastrophal verlaufen.
    Dann öffnete sich der Deckel der Kiste und Pippa blinzelte ins Licht. Sie zwang sich, eine anmutige Poseeinzunehmen, zu knicksen und zu winken, obwohl ihr die Beine zitterten und der Rücken wehtat.
    Der Schlussapplaus brandete auf, die Lampen gingen aus, der Vorhang fiel.
    »Das müssen wir morgen dringend proben«, fauchte Lorenzo und warf ihr seinen Mantel

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