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Das gefrorene Lachen

Das gefrorene Lachen

Titel: Das gefrorene Lachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ueberreuter
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Augen glänzten wie die des Schankmädchens. »Das ist ein Stück nach meinem Geschmack. Ach, wie gerne möchte ich das noch einmal sehen!« Er hob eine Hand zum Herzen, die andere zum Himmel – genauer gesagt, zur rauchgeschwärzten Decke der Wirtschaft – und deklamierte: » Willst du schon gehn? Der Tag ist ja noch fern. Es war die Nachtigall und nicht die Lerche, die eben jetzt dein banges Ohr durchdrang; sie singt des Nachts auf dem Granatbaum dort. Glaub’, Lieber, mir: Es war die Nachtigall. «
    »Sehr schön, sehr schön, Herr Lehrer«, applaudierte Jasper.
    »Ach, das waren Zeiten, das waren noch Zeiten«, seufzte der Lehrer und sank in seinen Stuhl zurück.
    Auf dem Marktplatz erscholl die Trompete des Ausrufers und kurz darauf seine blecherne Stimme, die etwas vortrug.
    Jasper erhob sich gemächlich und ging zur Tür, um sie zu öffnen.
    »... unser erhabener König seinen treuen Untertanen eine ganz besondere Unterhaltung …«, schepperte die Stimme des Ausrufers durch die geöffnete Tür.
    Lene gesellte sich zu dem Fuhrmann und steckte neugierig den Kopf zur Tür hinaus. »Oh«, hörte man sieausrufen. »Schaut nur, die schönen Kostüme!« Im gleichen Moment erklang ein lustiger Marsch, der auch die anderen Gäste des Wirtshauses von ihren Stühlen und zur Tür trieb. Sie drängten sich zu Jasper und Lene und beobachteten den Aufmarsch auf dem Marktplatz. Der Ausrufer stand auf den Stufen des Rathauses, und unter ihm auf dem Platz hatte eine bunte Truppe Aufstellung genommen. Bälle und Keulen flogen durch die Luft, fünf Artisten bauten sich zu einem Menschenturm übereinander, der ein wenig wackelig, aber stolz in der Mitte der Kapelle aufragte, und drei junge Männer schlugen Räder und Salti um das ganze Geschehen.
    Der Ausrufer, der offensichtlich in seiner Rede unterbrochen worden war, entlockte seiner Trompete einen überaus lauten Ton, dessen Missklang die Kapelle erschrocken innehalten ließ. Ein letzter, nachhinkender Paukenschlag hallte von den Häusern wider, dann erhob erneut der Ausrufer seine Stimme: »... eine ganz besondere Unterhaltung in Gestalt von Maestro – äh – Spinellis Fliegendem Theater. Unser Glorreicher Herrscher macht seinen treuen Untertanen die sonntägliche Vorstellung des Stückes – äh – ›Die Tragödie vom König Llˆyr‹ zum Geschenk: Der Eintritt sowohl für die Abendvorstellung als auch für die nachmittägliche Kinderbelustigung ist für alle frei.«
    Von den auf dem Marktplatz versammelten Menschen kamen vereinzelte Jubelrufe und spärlicher Applaus, die in der erneut einsetzenden Musik der Kapelle untergingen.
    »Sonntag«, rief Lene aus und klatschte begeistert indie Hände. »Wir gehen alle Sonntag dorthin, ja?« Sie warf dem Wirt einen bettelnden Blick zu. »Darf ich Sonntag freinehmen, Onkel Gustav?«
    Der Wirt brummte und schüttelte missmutig den Kopf. Die Wirtin nickte dem Schankmädchen verstohlen zu und nahm den Arm ihres Mannes, um ihn beiseitezuziehen. »Es wird ohnehin niemand bei uns einkehren, wenn alle zum Theater gehen«, sagte sie. »Komm, Gustav. Wenn wir einmal einen Tag zuschließen, wird uns das doch nicht ruinieren.«
    »Gerade Sonntag«, knurrte der Wirt. »Hätte das nicht an einem anderen Tag …«
    Eine kalte Böe pfiff durch die Straße, um die Mauern und über den Platz und trieb alle Zuschauer wieder zurück in ihre Häuser.
    Lene blieb noch einen Moment draußen stehen und sah zu, wie die Kapelle ihre Instrumente einpackte. Der Mann mit der Pauke blickte besorgt zum Himmel, der Posaunist zog hastig eine Hülle über sein Instrument und die Artisten liefen zu ihren Mänteln, die auf den Stufen des Rathauses lagen. Wolken zogen auf, die ersten Tropfen zerplatzten auf dem Pflaster. Es blitzte, Donner grollte und ein Wolkenbruch ging über dem Platz nieder. Die Musiker schlugen die Krägen hoch und rannten los, gefolgt von den Jongleuren, die im Laufen noch ihre Bälle und Keulen in einer Tasche verstauten, und hinter ihnen her, sie alle überholend, stürzten laut lachend und schimpfend die jungen Artisten.
    Lene sprang zurück und stieß die Tür auf. »Hierher«, rief sie. »Kommt hier herein!«
    Der erste Artist stürmte durch die Tür, dann drängten die anderen hinterher und als Letztes stolperte die große Pauke ins Gastzimmer.
    Dann war Trubel und Aufregung im sonst so stillen Gastraum: Gelächter und Ausrufe, Tropfen, die aus Haaren und Kleidern, von Nasenspitzen und Instrumentenhüllen auf den Boden platschten,

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