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Das gefrorene Licht. Island-Krimi

Das gefrorene Licht. Island-Krimi

Titel: Das gefrorene Licht. Island-Krimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yrsa Sigurðardóttir
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hier.«
    Dóra lugte hinein. Es gab nicht viel zu sehen, der Boden war freigeschaufelt. »Die Polizei hat den Tatort bestimmt gründlich untersucht«, meinte sie.
    »Ja, sie waren die ganze Nacht hier«, entgegnete Bergur. »Der Anblick war lange nicht so schön wie jetzt.«
    »Das kann ich mir vorstellen«, sagte Dóra. »Was wolltest du im Stall?«
    »Füttern«, antwortete er kurz angebunden. »Leider Gottes.«
    »Leider Gottes?«, fragte Dóra. »Was meinst du?«
    »Ich wünschte, ich hätte es nicht sehen müssen«, antwortete Bergur gerade heraus. »Der Anblick war entsetzlich. Der Fuchs, die Nadeln, das Blut und der arme Mann erst.«
    »Der Fuchs?«, fragte Dóra neugierig. »War da ein Fuchs drin?«
    »Ja«, antwortete Bergur. »Der Leiche auf die Brust gebunden. Zuerst dachte ich, das wäre eine Perücke, aber dann wurde mir klar, worum es sich handelte. Ich stand längere Zeit wie angewurzelt davor, konnte nicht rausgehen. Musste ihn einfach anstarren.« Er schloss die Box.
    »Warum bindet man jemandem einen Fuchs auf die Brust?«, dachte Dóra laut. »Haben Füchse hier in der Gegend eine bestimmte Bedeutung?«
    »Nein, nicht, dass ich wüsste«, antwortete Bergur. »Ich habe keine Ahnung, was das bedeuten sollte. Vielleicht, um das Ganze noch abscheulicher zu machen. Der Geruch des Fuchses war ekelhaft. Er war schon viel länger tot als Eiríkur.«
    Dóra nickte nachdenklich. Ihr fiel keine logische Erklärung ein. »Und welche Nadeln meinst du? Hatte sich der Mann eine Spritze gesetzt?« Vielleicht war das der Grund für þórólfurs merkwürdige Fragen nach Akupunktur und Nähsets.
    Bergur sah sie scharf an, offenbar nicht sehr erfreut, die Geschichte noch einmal aufrollen zu müssen. Er schluckte hörbar, bevor er wieder das Wort ergriff. »Die Leiche hatte Nadeln in den Fußsohlen.« Er zögerte, fügte dann aber hinzu: »Genau wie bei Birna.« Er schüttelte sich. »Wer auch immer ihnen die in die Füße gesteckt hat, muss völlig gefühlskalt sein.«
    »Nadeln?«, fragte Dóra fassungslos. »Stecknadeln?«
    »Ja«, sagte Bergur und presste wieder die Lippen zusammen. »Ich möchte lieber nicht darüber reden. Es ist nicht so leicht, das alles detailliert zu wiederholen.«
    Dóra beließ es dabei, zumal sie so verblüfft war, dass sie keine Ahnung hatte, was sie als Nächstes fragen sollte. Was brachte einen Mörder dazu, seinen Opfern Stecknadeln in die Fußsohlen zu stechen? Waren Birna und Eiríkur gefoltert worden, um ihnen Informationen zu entlocken? Dóra überlegte nicht weiter, sondern wandte sich einem anderen Thema zu. »Darf ich fragen, ob du erklären konntest, wo du warst, als Birna und Eiríkur ermordet wurden?«
    »Jein«, antwortete Bergur. »Ich konnte erklären, wo ich war, aber wie meistens war ich alleine, daher kann niemand außer meiner Frau es bezeugen.« Er schaute Dóra an, als wolle er sie beschwören, seine Worte nicht anzuzweifeln. Dóra kam gar nicht auf die Idee, denn sie hielt ihn für vernünftiger als Jónas, der sich ein Alibi ausgedacht hatte, das sich mühelos widerlegen ließ. »Sie würde die Polizei nie anlügen«, fügte er verdrossen hinzu, als handele es sich dabei um einen großen Nachteil.
    »Eine Frage noch«, beeilte sich Dóra zu sagen. »Was bedeutet RER ?«
    Bergur packte den Griff der Boxentür und öffnete sie erneut. »Ich habe keine Ahnung.« Er zeigte auf die hintere Boxenwand. »Eiríkur hat es in die Wand geritzt, bevor er starb.«
    Dóra ging in die Box, und Matthias folgte ihr. Sie erklärte ihm, was Bergur gesagt hatte, und sie beugten sich beide über die Stelle. Matthias nahm sein Handy und machte ein Foto. » RER «, sagte Dóra, als sie hinter ihm wieder die Box verließ. »Was könnte das bedeuten?«
    Bergur zuckte mit den Schultern. »Wie gesagt – ich habe keine Ahnung, was es bedeuten soll.« Er schloss die Boxentür. »Ich muss wieder rein. Reicht euch das?«
    Ein leises Knarren ertönte, und die Tür des Pferdestalls ging auf. Zögernd trat eine Frau in Bergurs Alter ein. Dóra erschrak bei ihrem Anblick. Sie war nicht hässlich oder entstellt, aber etwas an ihrer Haltung und Kleidung machte sie furchtbar abstoßend. Ihr Haar wirkte tot und farblos und war mit einem Band zusammengebunden, das schon bessere Tage gesehen hatte. Ihre kurzen Wimpern trugen nicht einen Hauch von Wimperntusche. Es wäre schwierig, diese Frau fünf Minuten nachdem man sie gesehen hatte, zu beschreiben, und das schien ihr bewusst zu sein; offenbar wäre

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