Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das gefrorene Licht. Island-Krimi

Das gefrorene Licht. Island-Krimi

Titel: Das gefrorene Licht. Island-Krimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yrsa Sigurðardóttir
Vom Netzwerk:
kannte den Ring an dem aufgedunsenen Ringfinger.
    Bergur fiel neben der Hand auf die Knie. Er nahm den Gestank nicht mehr wahr und griff nach der eiskalten Hand, um sich zu vergewissern. Doch, das war der Ring. Er schnappte nach Luft. Hektisch begann er, den Tang von der Stelle zu reißen, unter der er den Kopf der Leiche vermutete, hörte jedoch schnell wieder damit auf. Da war kein Gesicht. Aber er hatte genug von dem Haar gesehen, um zu realisieren, dass sein Traum von einem neuen, aufregenden und glücklichen Leben vorbei war.
     
    Dóra ließ sich nichts anmerken. Sie lag auf dem Bauch und versuchte, sich zu entspannen, das heißt, sie versuchte, so auszusehen, als sei sie entspannt, denn sie wollte nicht, dass die Masseurin etwas anderes glaubte. Diese war eine durchtrainierte, drahtige Frau, etwas jünger als Dóra. Sie trug eine weiße Leinenhose und ein hellgrünes kurzärmeliges T-Shirt; ihre nackten Füße steckten in Sandalen mit Fußbett. Ihre Zehennägel hatte sie mit einem hellblauen Nagellack lackiert. Normalerweise schenkte Dóra diesen Körperteilen keine besondere Beachtung, aber die Zehen befanden sich die ganze Zeit in ihrem Blickfeld, während sie bäuchlings auf der Bank lag, das Gesicht in ein Loch geklemmt.
    Das Schlimmste war vorüber; die Frau hatte aufgehört zu massieren und legte heiße Steine auf Dóras Wirbelsäule. »Jetzt wirst du spüren, wie die Kraft der Steine auf deinen Rücken übergeht. Anschließend dringt sie in alle Nervenbahnen, bis in alle Glieder und Poren.« Während sie redete, klang sphärische Musik von einer CD , die Dóra nach Aussage der Masseurin an der Rezeption kaufen konnte. Dóra war fest entschlossen, dort vorbeizuschauen und sich über den Namen der Band zu informieren, damit sie nicht aus Versehen irgendwann einmal eine CD von denen kaufte.
    »Dauert es noch lange?«, fragte Dóra, voller Hoffnung, dass es nun bald vorüber wäre. »Ich glaube, die Kraft ist jetzt bis in jede einzelne Zelle vorgedrungen. Ich fühle mich großartig.«
    »Was?« Die Masseurin konnte das offenbar kaum glauben. »Bist du sicher? Wir haben noch ziemlich viel Zeit.«
    Dóra unterdrückte ein Stöhnen. »Ganz sicher. Das war wirklich toll. Ich spüre ganz deutlich, dass ich so weit bin.«
    Die Masseurin wollte protestieren, ließ es aber bleiben, als irgendwo im Zimmer ein Telefon klingelte. »Warte mal kurz«, sagte sie zu Dóra, und die Zehen verschwanden.
    »Hallo«, hörte Dóra sie in den Hörer sagen. »Ich habe gerade eine Kundin.« Eine lange Pause trat ein, und dann sagte die Frau mit erregter Stimme: »Was sagst du da? Soll das ein Witz sein? ... Ach du lieber Gott ... – Ich komme.«
    Die Frau nahm die Steine von Dóras Rücken. Diese versuchte zu überspielen, wie froh sie war, und erkundigte sich nach dem Telefongespräch. »Ist was passiert?«
    Die Frau arbeitete mit schnellen Handgriffen. »Es ist was passiert. Eigentlich etwas Furchtbares. Wirklich furchtbar.«
    »Aha?« Dóra setzte sich auf. Diesmal musste sie nicht so tun, als sei sie neugierig. »Hat es was mit diesem Spuk zu tun?«
    Die Frau machte ein erschrockenes Gesicht und schlug sich die Hand vor den Mund. »Oh, so weit hatte ich noch gar nicht gedacht. Unten am Strand ist eine Leiche gefunden worden. Vigdís von der Rezeption glaubt, dass es jemand vom Hotel ist. Die Polizei spricht nämlich gerade mit Jónas.«
    Dóra sprang nackt von der Bank, griff nach dem Bademantel und beeilte sich, ihn anzuziehen. »Geh ruhig, ich komme schon zurecht.« Sie band sich den Frotteegürtel um die Taille und machte einen Knoten. »War es ein Unfall?«
    »Ich weiß es nicht«, antwortete die Masseurin und stand unschlüssig da. Offenbar konnte sie es kaum erwarten, weitere Neuigkeiten zu hören.
    »Ich suche einfach meine Sachen zusammen und gehe«, sagte Dóra und winkte die Frau hinaus. »Ich verspreche auch, keine Steine zu klauen.«
    Das ließ sich die Frau nicht zweimal sagen. Sie machte auf dem Absatz kehrt und verschwand im Flur. Dóra ging zu dem Vorhang, hinter dem sie sich entkleidet hatte, und begann, ihre Sachen anzuziehen. In ihrer Tasche klingelte das Handy, und sie fischte es heraus. »Hallo«, sagte sie, während sie versuchte, sich mit einer Hand einen Socken überzustreifen. Der Empfang war schrecklich, es rauschte und knackte in der Leitung.
    »Hallo Dóra.« Es war Matthias. »Ich warte auf eine Antwort auf meine Mail.«
    »Ach ja«, sagte sie und hörte auf, mit dem Socken zu kämpfen. »Ich

Weitere Kostenlose Bücher