Das Gegenteil von Schokolade - Roman
Flur. Es sind nur ein paar Schritte.
Doch dann mache ich ihn doch. Den klitzekleinen Umweg über den Computer.
Anknopf. Lächelnd.
Willkommen.
Sie haben Post.
Ich hab dich tanzen gesehen.
Du hast deine Schritte gesetzt und die Hände bewegt, als sei die Luft zum Streicheln da. So war es am Anfang. Aber später, da hat es sich geändert. Wieso hat es sich geändert, dachte ich. Später hast du manchmal um dich geschlagen. Beim Tanzen. Auch das habe ich gesehen.
Ich habe entdeckt, dass du so bist wie deine Worte. Dass du mal mutig bist und mal verschreckt, dass du bereit bist, alles zu wagen, aber vielleicht noch nicht die gefunden hast, für die du es tun möchtest.
Ich starre auf den Bildschirm, eine Hand auf meinem Magen.
Von meinem Gesicht ist das Lächeln verschwunden. Meine Finger gleiten über die Tasten.
Warum willst du nicht, dass ich dich sehe?
Die Nacht ist unruhig.
Am Morgen erledige ich diszipliniert alles, was ich jeden Morgen erledige. Damit meine ich profane Dinge wie Zähneputzen und Anziehen, mit Loulou auf den Berg gehen. Frühstücken. Gegen Ende meiner morgendlichen Erledigungen werde ich immer schneller und schneller, sodass Loulou von meiner Hektik angesteckt wird, mir beunruhigt überallhin folgt und ich fast über sie falle, als ich schließlich zum Computer stürze.
Emma hat mir eine einzige Zeile geantwortet:
Ich habe auch eine Frage: Wer war die Frau in Blau?
5 . In der Lesbenszene sind alle gleich
Es war eng geworden. Sehnsüchtig standen sie beide heimlich vor den Spiegeln und forschten nach sich selbst. Fanden nur zerstreute Stücke.
(Seite 89 des Romans »Von der Umkehr der Endgültigkeit«, Patricia Stracciatella)
S ie hat mich auf dem Schwof gesehen«, teile ich Michelin am Montagmorgen mit, als ich zur Tür hineinstolpere. Sie kommt gerade mit zwei Kaffeebechern in den Händen aus der Küche und bleibt vorsichtig mitten im Flur stehen.
»Guten Morgen«, erwidert sie dann und betrachtet mich einen Augenblick sinnierend. »Ich nehme an, du sprichst von Emma?«
»Si.«
»Weiter nehme ich an, dass sie dir gemailt hat, dass sie auf dem Schwof war, sich dir aber nicht zu erkennen gegeben hat?«
»Si.«
»Deinen tellergroßen Augen sehe ich an, dass noch was anderes passiert ist, das du mir wahrscheinlich gleich erzählen wirst.«
Ich könnte sie knutschen, dass sie mich so direkt danach fragt.
»Sie will wissen, wer Antonie ist!«, platze ich heraus.
Michelin spitzt ihre Lippen und tut so, als müsse sie scharf nachdenken.
»Komisch«, murmelt sie dann. »Wie kommt sie denn auf so eine Frage?«
»Weil sie uns beobachtet hat, natürlich«, grumpfe ich. »Wir haben doch häufiger miteinander getanzt und später lange zusammen im Café gesessen.«
»Wollte sie auch wissen, wer ich bin?«, fragt meine liebe Arbeitskollegin gespielt naiv.
Michelin mit ihrer Rhetorik! Aber sie hat Recht. Denn mit ihr habe ich ja auch öfter getanzt. Um genau zu sein, haben Michelin und ich viel deutlicher miteinander getanzt als Antonie und ich. Denn schließlich war ein Miteinander bei Antonies In-sich-Kehren kaum möglich. Aber vielleicht war der Beobachterin Emma nicht entgangen, dass es zwischen Antonie und mir anders war als zwischen Michelin oder Frederike und mir. Bei dem Gedanken daran, dass Emma mich womöglich dabei betrachtet haben könnte, wie ich meinerseits ganz versunken war in den Anblick von Antonies geschlossenen Augenlidern, wird mir ganz schwindlig.
»Auf alle Fälle steht jetzt fest, dass sie ganz sicher eine Frau ist«, lenke ich ab.
»Beruhigt oder beunruhigt dich das?«, erkundigt sich Michelin interessiert.
Darüber habe ich noch gar nicht nachgedacht.
Michelin balanciert unsere Kaffeebecher zu den Schreibtischen und sieht mir zu, wie ich umständlich mein e Arbeitstasche abstelle und ein paar Unterlagen herauskrame.
»Ich muss dir was beichten!«, platze ich da heraus und sprudele hervor, dass Emma und ich eine vage Verabredung hatten, die wieder sie vorgeschlagen hatte. Und wieder war sie diejenige, die nicht erschienen ist. Diesmal allerdings auch noch mit der Steigerung, dass sie zwar am besagten Ort war, sich aber dennoch nicht zu erkennen gegeben hat.
»Ich bin wirklich nicht zur Detektivin geeignet«, meint Michelin dazu. »Sonst wäre mir jetzt gleich aufgefallen, dass da so was gewesen sein muss. Woher sollte sie denn sonst wissen, wie du aussiehst, bei dem ganzen Gewimmel auf dem Schwof. Sie muss also irgendwo gestanden und dich beobachtet haben,
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