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Das geheime Bild

Das geheime Bild

Titel: Das geheime Bild Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eliza Graham
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als Unterrichtsraum. Sondern als eine Art Büro?«
    »Es war das Büro des Schatzmeisters.«
    »Das stimmt. Das war, bevor ich dich kennenlernte.«
    »Wie kommst du darauf?«
    Er erwiderte achselzuckend: »Ich habe immer gedacht, dass das ein ganz wunderbares Klassenzimmer sein müsste, mit diesen Fenstern und dem großen Eichenschrank. Und es muss ein Erlebnis gewesen sein, in diesem Raum zu schlafen, als er noch ein Schlafzimmer war.«
    »Ja.« Während unserer Fahrt zum Bahnhof ging mir der Geschichtsraum nicht aus dem Kopf. Vielleicht wollte ich mich ablenken, um nicht an die bevorstehende Trennung denken zu müssen.
    »Es war schön, dich zu sehen«, sagte ich, als wir ankamen. Ich gab ihm einen Kuss auf die Wange, alle meine Sinne verzehrten sich nach ihm. Er roch nach derselben Rasierseife, die er früher benutzte. Für einen kurzen Moment hielt ich mein Gesicht dicht an seines, in der Hoffnung, er würde mich noch einmal küssen wollen. Aber er trat zurück. »Du brauchst nicht zu warten, bis der Zug kommt«, sagte er. »Ich melde mich wieder.«
    Dann ging er weg, bewegte sich rasch über den überfüllten Bahnsteig. Ich starrte auf seinen Rücken, bis ein Tränenschleier meinen Blick trübte. Ich warf den Motor an und löste gerade die Handbremse, als es an der Scheibe klopfte und mein Herz einen Freudensprung machte. Hugh. Er öffnete die Beifahrertür.
    »Ich hatte völlig vergessen, dass ich dir was mitgebracht habe.« Er ließ ein kleines Päckchen auf den Sitz fallen. »Gläser aus Herat. Sie sind aus Afghanistan mitgekommen, als man meine Sachen zusammenpackte. Aber dann sind sie bei meiner Mutter gelandet. Ich muss mich beeilen.«
    Er wurde vom Gedränge auf dem Bahnhof verschluckt.
    Als ich die Stallungen erreicht hatte, öffnete ich das Päckchen. Aus mehreren Lagen Zeitungspapier tauchten zwei hohe, elegante blaugrüne Gläser mit Stiel auf. Ein Gläser paar, wie mir auffiel. Ich stellte mir Hugh auf der Fahrt nac h Herat vor, wo er sich zu einem Basar oder einer Glasfabrik durchfragte, sich Zeit ließ und schließlich diese Gläser auswählte, weil er genau wusste, dass sie mir gefallen würden.
    Lange Zeit hielt ich in jeder Hand eins und stellte sie dann auf den Kaminsims. Jetzt war mein Zuhause wenigstens mit etwas Persönlichem geschmückt. Ich betrachtete die Gläser an ihrem neuen Standort ein paar Minuten lang. Ihr sanftes Blau war genau das Richtige für den neutralen, gedeckten Raum. Dann sprang ich vom Sofa auf und wickelte sie wieder in das Zeitungspapier. Ich verstaute sie in einem Küchenschrank. Lieber der Hoffnung keine Nahrung geben. Ich kam allein zurecht. Ich würde meine Hoffnungen in einem geistigen Schrank wie dem alten Eichenschrank im Geschichtsraum eingesperrt lassen, bis ich wusste, dass sie begründet waren.
    Der Geschichtsraum. Der Gedanke an diesen Schrank hatte eine Erinnerung geweckt, die allerdings so flüchtig war, dass ich sie nicht einfangen konnte.
    Ich überlegte noch eine Weile, aber sie kam nicht zurück.

24
    E rzähl mir«, sagte mein Vater und sah Olivia dabei über den Rand seiner Brille hinweg an, »von deinem Leben, bevor du hierherkamst. Wo hast du gelebt?« Wir hatten sie an diesem letzten Abend der Herbstferien zu uns ins große Haus zu einem zeitigen Abendessen eingeladen. Wir hatten auch Emily gefragt, aber sie litt den ganzen Tag über an einer Virusinfektion und war zu Bett gegangen. Wir hatten den Shepherd’s Pie und die von mir mitgebrachte Schokoladenmousse aufgegessen und saßen jetzt im Wohnzimmer. Olivia hatte auf einem niedrigen Stillsessel am Feuer Platz genommen und wirkte seltsamerweise ganz so, als wäre sie hier zu Hause. Clara und ich hatten als Kinder oft in diesem Sessel gesessen.
    »Ich bin in Kent aufgewachsen. Dort besuchte ich eine Zeit lang die Dorfschule. Dann zogen wir um, und ich kam in Reading auf die weiterführende Schule. Dort hat es mir aber nicht gut gefallen.«
    »Hast du schon immer bei deiner Tante gewohnt?«, fragte ich sie.
    Sie nickte. »Sie ist Tschechin. Sie hatte eine Erlaubnis, hier als Au-pair zu arbeiten, mehr nicht. Dann bekam sie aber eine Arbeitserlaubnis.«
    Als die Republik Tschechien der EU beitrat, wie ich vermutete. Aber wie hatte die Frau ihre Nichte als Familienangehörige herüberbringen können? Mein Vater tauschte einen Blick mit mir. Ich wusste, dass ihm dieselbe Frage durch den Kopf ging.
    »Ich war in einer Kinderkrippe untergebracht, während sie putzte. Sie heiratete einen Engländer und

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