Das geheime Kind
Photini trafen über Funk ein. Es gab eine neue Zielperson: Klaus Bahling. Sie zogen wieder los.
PHOTINI STELLTE DAS LAPTOP auf Raupachs Schreibtisch. Sie besprachen, was sie im Laufe des Tages in Erfahrung gebracht hatten. Die Fäden der Ermittlung liefen jetzt bei Corinne zusammen. Clausing meldete aus dem Krankenhaus, dass sie das Gröbste überstanden habe und in ein künstliches Koma versetzt worden sei, um den entgifteten Organismus zu entlasten. Man habe die Überdosis durch eine kontrollierte, relativ schwache Betäubung ersetzt, wie bei einem Entzug. Vernehmungsfähig sei sie noch lange nicht. Und es stimmte, sie habe vor kurzem ein Kind zur Welt gebracht.
Dann loggte sich Photini in www.koelsche-girls.de ein und rief eine Fotoserie von Lara/Corinne auf. Viele kleine Bilder, sie ließen sich mit einem Mausklick vergrößern. Das Mädchen hatte die Fotos für den Fall, dass sie offline war, eingestellt, zum Anreiz für Kunden, die sich einen ersten Eindruck von ihr verschaffen wollten. Photini war inzwischen Kundin und hatte per Kreditkarte eine Jahresmitgliedschaft erworben. Wahrscheinlich war sie nicht der einzige Bulle, der sich auf Pornowebsites herumtrieb. In ihrem Fall hatte es rein berufliche Gründe.
Auf dem Bildschirm erschien Corinne in eindeutigen Posen. Von vorne und von hinten, immer mit Perücke und stark geschminkt. Die Qualität der Fotos war amateurhaft, und sie wirkten so, als seien sie vor der Schwangerschaft aufgenommen worden, vermutlich mit Selbstauslöser. Der Kamerawinkel war immer der gleiche.
»Sie spielt den sexhungrigen, naiven Teenager, der unbedingt neue Erfahrungen machen will«, sagte Raupach. »Das kommt sicher gut an.«
»Standard.« Jakub verglich die Lara-Bilder mit Fotografien aus Corinnes Geldbörse, die Photini mitgebracht hatte, dem Personalausweis und dergleichen. »Allerdings gibt sie sich als Lara betont künstlich. Ihre Haut ist auffällig hell, strukturlos, eine gleichmäßige Fläche, die Frisur kantig wie in einem Comic. Bestimmt hat sie Körper-Make-up benutzt, um Unreinheiten zu beseitigen.«
»Aber sie hat sich nicht älter gemacht«, wandte Raupach ein.
»Das nicht. Nur glatter, fehlerfrei.«
Photini erinnerte an das, was Doktor Fründt über eine mögliche dissoziative Störung gemutmaßt hatte. »War Corinne in der Lage, strikt zwischen sich und Lara zu trennen? Wie eine Schauspielerin?«
»Den meisten Menschen fällt das sehr schwer, egal, wie viele erfundene Persönlichkeiten sie im Internet annehmen«, sagte Jakub. »Sogar Schauspieler können ihre Rollen nicht so einfach ablegen, wenn sie sich voll eingearbeitet haben, die Übergänge sind fließend. Aber bei Corinne … Ich glaube, sie hatte ein zutiefst gestörtes Verhältnis zu ihrer Sexualität.«
»Plavotic gibt an, dass sie ihm gegenüber zurückhaltend war, zumindest am Anfang.« Raupach klickte ein Bild an, auf dem Lara unter ihre Brüste griff und sie dem Betrachter entgegenschob, als sei sie überrascht, was sie da zufälligerweise in ihren Händen hielt. Dazu lächelte sie so offen und püppchenhaft, dass es schmerzte.
»Nimm dir, was du willst, soll das heißen.« Photini wies auf das Bild. »Fass mich an. Gehört alles dir. Bedien dich.« Sie sah an sich herab. »Das würde ich mir bei so einer Tittenshow denken.«
»Und würdest du’s auch so meinen?«, fragte Raupach. »Rein hypothetisch?«
»Ich mach so was nicht, mich in Positur werfen und irgendwelche Männerphantasien nachkaspern. Im Bett geht’s mir nur um Sex.«
»Na dann.«
»Ohne falsche Versprechungen.« Sie dachte an die Aufnahme, die Patrick von ihr gemacht hatte. Das war was anderes. Privat.
»Habt ihr schon den Leberfleck gesehen?« Jakub deutete auf das Muttermal neben der Brustwarze. »Den hätte sie doch überschminken können, oder entfernen, mit einem Bildbearbeitungsprogramm. Warum hat sie das nicht getan?«
»Leberflecken sind unveränderliche Kennzeichen«, überlegte Raupach. »Könnte ein versteckter Hinweis von ihr sein, dass immer noch Corinne in Laras Körper steckt und niemand sonst.«
»Ein ziemlich ernster Hinweis.« Jakub betrachtete weitere Fotos, auf denen der Leberfleck zu sehen war, und kehrte zu dem Brustbild zurück. »Also ich seh das folgendermaßen«, fing er an. »Auf den Fotos oder im Video-Chat verkörpert Corinne nicht nur irgendeine Rolle, von der sie meint, Männer würden darauf stehen und dafür bezahlen. Denkt mal an Missbrauch. Was könnte dieses Bild einem
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