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Das geheime Kind

Das geheime Kind

Titel: Das geheime Kind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Kastura
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liegt.«
    »Eine Zeugin.«
    »Wollen Sie die Frau schützen, Raupach? Dafür sind die Sozialämter da.«
    »Ich werfe Corinne niemandem zum Fraß vor. Ihnen schon gar nicht.«
    Lürrip seufzte. Ein sportlich geschnittener Designeranzug passte sich seinen Bewegungen an, auch den ungelenken. »Warum geben Sie sich überhaupt damit ab, als Leiter der Mordkommission? Lassen Sie Heide Thum den Fall zu Ende bringen. Kümmern Sie sich lieber um die Öffentlichkeitsarbeit.«
    »Wollen Sie mich an die Leine legen?«
    »Wir müssen bei dieser Sache auch an Effizienz denken. Wenn sich unsere besten Leute in Schrebergartenmorde verbeißen, steht der Aufwand in keinem Verhältnis zum Ertrag, verstehen Sie?«
    »Schmeichelei mit einer Dosis Managergewäsch. Ja, das verstehe ich.«
    »So läuft das eben in den oberen Etagen. Wir verwalten Kapitalverbrechen.«
    »Früher haben wir die Fälle erst gelöst«, erwiderte Raupach. »Danach gaben wir ein bisschen was raus. Und am Ende bekamen die Erbsenzähler Stoff für ihre Statistiken. Man muss erst was zustande bringen, bevor man drüber quatscht.«
    »Simultan denken und handeln. Das muss man.«
    »Ich habe nichts gegen die Medien. Manchmal sind sie von Nutzen, manchmal nicht. Momentan eher nicht.«
    »Das entscheiden nicht Sie.«
    »Ich mach das auf meine Art. War noch nie ein Problem.«
    »Die Leute müssen erfahren, was mit diesem Kind passiert ist«, widersprach Lürrip, »sonst spielen sie verrückt.«
    »Sind wir in der Unterhaltungsbranche?«
    »Wenn wir nicht zeigen, dass wir solche Vorkommnisse im Griff haben, gerät alles aus den Fugen.«
    »Ist es doch schon.«
    »Sie haben die falsche Einstellung, Raupach.«
    »Geben Sie Heide meinen Job. Die macht ihn besser.«
    »Warum nicht?« Lürrip wandte sich zum Gehen, lenkte ein. »Ich verlange nur ein wenig Kompromissbereitschaft.« Er kannte Raupachs Abneigung gegen die Befehlskette, hatte gelernt, mit seinen Unverschämtheiten zu leben.
    »Kompromisse? Dann sind Sie bei Frau Thum an der richtigen Adresse.«
     
    MILAN WOLLTE WISSEN, wie es Corinne inzwischen ging. Er hatte im Vernehmungsraum geduldig ausgeharrt, kaum etwas gegessen, dafür jede Menge Kaffee getrunken, damit er gerüstet und hellwach war für die weitere Befragung. Die Polizisten glaubten ihm nur teilweise. Er hatte sich allerlei Argumente zurechtgelegt, um sie von seiner Schuld zu überzeugen.
    Der Kommissar hörte ihm eine Weile zu. Der Junge gab sich Mühe, es klang plausibel, aus dem Leben gegriffen, besser erfunden als die meisten Falschaussagen, die Raupach im Laufe der Zeit untergekommen waren. Er beschrieb die Hiebe mit dem Spaten so anschaulich, dass man meinte, dabei gewesen zu sein, das Gefühl beim Ausholen und Zuschlagen. Authentisch, fand Raupach, ein Begriff, der ihm meist dann in den Sinn kam, wenn er kurz davorstand, eine Lüge für wahr zu halten.
    »Du denkst, Corinne hätte Wintrich umgebracht«, sagte er schließlich. »Dass sie deswegen weder ein noch aus gewusst hat, als du in die Heckenrose gekommen bist. Das stimmt aber nicht.«
    Raupach erzählte Milan von der Schwangerschaft und dem toten Kind im Kürbisbeet. Er ließ nichts aus, erwähnte sogar die Internet-Fotos.
    Milan hatte von alledem nicht die geringste Ahnung, das war deutlich zu sehen. Er wirkte wie ein Soldat, dem eröffnet wurde, dass der Rest seiner Truppe gefallen war oder in Gefangenschaft saß. Es war alles umsonst gewesen. Und nun schlimmer als je zuvor.
    Nach und nach begriff er. »Das Kind stammt von mir.«
    »Höchstwahrscheinlich«, sagte Raupach. »Wir überprüfen das noch per DNA-Vergleich.«
    Er nickte, als würde er sich bedanken, ohne zu wissen wofür. »Aber … warum?«
    Der Kommissar sprach von einer Kurzschlusshandlung und legte die möglichen psychischen Hintergründe für die Kindstötung dar, Motive, Ursachen, Indikationen.
    Milan versuchte das alles irgendwie mit Corinne in Einklang zu bringen. Missbrauch, er war also doch auf der richtigen Spur gewesen, auch wenn Raupach betonte, dass sie dafür noch Beweise brauchten. Und den Täter.
    Das mit dem Kind und der postnatalen Depression konnte er trotzdem nicht fassen. »Ich versteh das nicht.«
    »Da gibt’s auch nichts zu verstehen. Solche Dinge passieren, immer wieder.« Ein platter Polizistenspruch. Raupach suchte nach einer besseren Erklärung. »Die Menschen stoßen an ihre Grenzen. Es heißt, daran würde man wachsen, man gehe gestärkt daraus hervor. Aber das behaupten nur die, die mit heiler

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