Das geheime Kind
passiert.«
»Ich hab einen Satz Erinnerungsfotos von dir. Schon vergessen?«
»Einen ganzen Satz?«
»Hab ein paar mehr gemacht. Weil’s so schön war.«
»Häng sie dir übers Klo.«
Patrick zuckte mit den Schultern und ging in den Regen hinaus. Mittlerweile goss es in Strömen.
Sie wartete, bis ihn die Dunkelheit verschluckte. Dort konnte er von ihr aus bleiben.
Das war’s. Niete Nummer neun oder zehn.
Photini trampelte so lange auf dem Speicherchip herum, bis er in winzige Teilchen zersplitterte. Dann fielen ihr Corinnes Nacktfotos ein. Nicht auszudenken, wenn Patrick etwas davon mitgekriegt hatte. Sie überlegte, wann sie ihr Funkgerät zuletzt benutzt hatte. Atmete auf.
Heide kam nach draußen und gesellte sich zu ihr. Die Hände in den Jackentaschen beobachteten sie, wie sich das Wasser in einer Pfütze sammelte.
»Wo hast du ihn kennengelernt?«
»Im Internet«, antwortete Photini. »Partnerschaftsbörse.«
»Besser als bei den Bullen.«
»Ich wollt’s euch heute Abend sagen, bei Effies Geburtstagsfeier im Delphi.«
»Die fällt erst mal flach.«
»Ich frage mich, ob er mich von Beginn an aushorchen wollte, oder ob’s sich einfach so ergeben hat.«
»Für einen Paparazzo bist du eine gute Investition, Schätzchen. Kleiner Einsatz, traumhafte Rendite.«
»Wie konnte ich bloß so naiv sein?«
»Sind wir alle hin und wieder.« Heide beugte sich vor und spuckte aus. Sie wollte die Pfütze treffen, die Ladung ging daneben. »Vergiss ihn. Wir haben zu tun.«
JETZT SASS JAKUB bei Corinne im Zimmer. Er richtete sich darauf ein, im Krankenhaus zu übernachten. Das künstliche Koma sollte noch einige Stunden andauern und dann in Schlaf übergehen. Ab den frühen Morgenstunden bestand die Möglichkeit, dass sie zu sich kam. Wer war sie dann? Corinne? Lara? Irgendwer dazwischen? Wenn sie die Augen aufschlug, hieß das noch lange nicht, dass sie auch erwachte, dass sie aus dem Niemandsland zurückkehrte. Ohne Lebenswillen blieb sie für immer dort.
Raupach brachte Milan herein. Der Junge näherte sich vorsichtig, als könne das leiseste Geräusch Corinne wecken. Er fragte, ob er die Hand des Mädchens halten durfte, wenigstens für ein paar Minuten. Jakub stimmte zu. Die Handschellen mussten dranbleiben. Milan war nicht restlos zu trauen, trotz allem.
Reintgen hatte es sich auf dem Gang mit einer Illustrierten bequem gemacht. Raupach rang sich einige anerkennende Worte ab, wie entschlossen er gegen den Fotografen eingeschritten sei. Sie sprachen kurz über Kotissek. Die Leiche werde obduziert, sobald Clausing in der Uniklinik dafür Zeit fand. Durch die Vielzahl der Schläge und Tritte seien die Rippen erheblich verletzt worden, mehr konnte der Gerichtsmediziner nach einer ersten Untersuchung nicht sagen.
Raupach hatte nach Reintgens Anruf von den Müllcontainern ein Befragungsteam losgeschickt, vielleicht gab es Zeugen, die gesehen hatten, wie der Obdachlose zu Tode geprügelt worden war. Höttges sollte dazustoßen.
Als der Kommissar am Besucherraum vorbeiging, sah er Vera und Klaus Bahling hinter der Scheibe sitzen. In Sorge vereint, aber sichtlich getrennt. Bahling redete auf die Mutter seiner Kinder ein, sie wich zurück. Er redete weiter, sie schüttelte den Kopf und schlug die Hände vors Gesicht. Plötzlich fuhr sie hoch und sagte etwas. Bahling musterte sie eine Weile. Dann blickte er an die Decke. Sein Gesicht wurde hart, er presste seinen glatten Schädel gegen die Wand, am Hals traten die Sehnen hervor.
Sie wühlten in der Vergangenheit. Waren sich dabei selbst im Weg. Das dauerte.
Heide und Photini tranken Kaffee im Aufenthaltsraum des Pflegepersonals und rollten den Fall noch einmal auf. Raupach stimmte sich mit ihnen ab. Von nun an hieß es, Funkstille zu halten, nicht nur wegen Patrick Voosen. Der Himmel wusste, wer sonst noch mithörte. Auch über Handy wollten sie sich nur im Notfall verständigen. Corinne musste um jeden Preis abgeschottet werden. Sie war alles in einem, Täterin, Kronzeugin, Opfer.
Die Polizisten kamen überein, dass Heide im Krankenhaus das Kommando übernahm. Sie sollte Jakub unterstützen und sich wechselweise um die Bahlings kümmern, die noch nicht zu einer Aussage bereit waren. Photini sollte Raupach begleiten.
»Ich würde lieber nach Hause gehen, Klemens. Für heute reicht’s mir.«
»Es ist erst kurz nach sechs.«
»Momentan geht hier eh nichts voran.«
War es wegen dem Fotografen? Er tauschte Blicke mit Heide. Klar, was dachtest du
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