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Das geheime Kind

Das geheime Kind

Titel: Das geheime Kind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Kastura
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schon? »Ich habe in der Klinik eine Stunde herausgeschlagen, dann brauchen sie mich dort.«
    »Wissen Sie, was es damit auf sich hat?« Er deutete auf die Medikamente.
    Sie stellte sich neben Raupach. »Das sind die besten Mittel, die auf dem Markt sind, Top-Qualität. Bevor Otto bei seiner Firma ausschied, hat er sich noch mal reichlich bedient. Das war das mindeste, wenn Sie mich fragen.« Sie lachte. »Seither brauche ich nicht mehr zur Apotheke gehen.«
    »Eine ganz schöne Sammlung.«
    »Wie haben Sie den Koffer aufgekriegt? Otto hat ihn gehütet wie seinen Augapfel.«
    »Da ist nichts dabei.« Raupach stieß in den Seitentaschen auf ein kleines grünes Heft, das in einem Plastiketui steckte. Ein Sparbuch. Er hielt es hoch. »Kennen Sie das auch?«
    »Nein.« Ihr Interesse nahm zu. »Finanzen waren zwischen uns kein Thema. Er hat sich an der Miete und den Haushaltskosten beteiligt, großzügig, da ließ er sich nicht lumpen. Dafür müsste sein Arbeitslosengeld locker gereicht haben.«
    Raupach schlug das Sparbuch auf und hielt es so, dass Vera Bahling hineinschauen konnte. Vor einem Jahr wies es noch einen stattlichen Betrag aus, über 10000 Euro. Doch der war genauso dahingeschmolzen wie die Einnahmen auf dem Girokonto. Es gab Abbuchungen in Intervallen von mehreren Wochen, meistens zwischen 500 und 1000 Euro, auch kleinere Summen.
    »Können Sie sich erklären, was Otto mit dem Geld gemacht hat?«, fragte er schließlich.
    »Keine Ahnung. Dieses Sparbuch sehe ich zum ersten Mal.«
    »War er ein Spieler? Lotto? Poker? Die Pferderennbahn in Weidenpesch?«
    »Nein, das wäre mir aufgefallen.«
    Der Kommissar merkte, wie es in ihr arbeitete. »Hatte er ein kostspieliges Hobby?«
    »Trinken«, versetzte sie angewidert. »Aber so viel verschlingt das doch nicht, Bier und Schnaps.«
    »Kommt drauf an.« Raupach hatte in seiner Laufbahn immer wieder mit Säufern zu tun gehabt. Fast allen zerrann das Geld zwischen den Fingern. Es war nicht nur der Alkohol. Unseriöse Angebote, von überteuerten Handyverträgen bis zu windigen Immobiliendeals, lockten an jeder Ecke, am Telefon, im Fernsehen, im Internet. Wer kaum noch etwas besaß und Angst hatte, auch noch dieses Wenige zu verlieren, wer sich Hoffnungen auf den großen Coup machte, der ein verkorkstes Schicksal ein für alle Mal wendete, wurde im Handumdrehen gerupft wie eine Weihnachtsgans. »Vielleicht gab er gern mal Lokalrunden aus …«, versuchte er es.
    »Das hätte ihm ähnlich gesehen. Kann auch gut sein, dass er seinen Pennerfreunden hier und da ausgeholfen hat. Otto ließ sich leicht beschwatzen, er hatte ein viel zu weiches Herz. Wenn wir zusammen ausgingen, nahm er diesen Verkäufern, die durch die Kneipen tingeln, immer etwas ab, Rosen, Zeitungen. Das ging mir ziemlich gegen den Strich.«
    »Kennen Sie jemanden, zu dem er in näherem Kontakt stand?«, fragte Raupach. Er kaufte seine Zeitung auch oft in der Kneipe und fand das einfach nur praktisch.
    »Er hat immer wieder von Zufallsbekanntschaften erzählt, Leuten, mit denen er auf seinen Spaziergängen Freundschaft schloss. Na ja, was man so Freundschaft nennt.«
    »Schon mal von Toni Kotissek gehört? Dem Tütentünn?«
    Vera Bahling dachte nach. »Ja, der kommt mir bekannt vor. Otto hat ihn mal erwähnt, wegen dieses seltsamen Namens. Ein Obdachloser, einer unter vielen. Ist mir unbegreiflich, wie man so leben kann, auf der Straße, von der Hand in den Mund. Glauben Sie, der Kerl hat ihn ausgenommen?«
    »Möglich. Obwohl ich nicht –«
    »Dann könnte er Otto auch umgebracht haben!«, stieß sie hervor. »Für ein paar Kröten machen die alles! Die quatschen harmlose Passanten an, verwickeln sie in ein Gespräch, erfinden herzzerreißende Geschichten. Und plötzlich steht man unter so einem sozialen Druck, die wissen das ganz genau, die lassen sich dann nicht mehr abschütteln. Man gibt ihnen was, aber die wollen mehr, werden richtig aggressiv. Vielleicht hatte Otto nicht genug dabei, dann rasten die aus.«
    »Klingt nach einem Haufen Vorurteile«, wandte Raupach ein, der Kotissek nicht für einen Schnorrer oder Abzocker hielt. »Diese Leute sind keine Wegelagerer. Wir müssen noch andere Szenarien in Betracht ziehen.«
    »Welche denn?« Sie hatte sich in Rage geredet. Ihre Wangen glühten.
    »Sie beide hatten getrennte Zimmer.« Der Kommissar trat ein paar Schritte zurück und lehnte sich gegen das Fensterbrett. »Tut mir leid, wenn ich Sie das fragen muss, aber wie nahe standen Sie sich

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