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Das geheime Kind

Das geheime Kind

Titel: Das geheime Kind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Kastura
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gegenüber, Nicolas auf seinem Bett, Photini auf dem Drehstuhl an seinem Schreibtisch. Er presste die Handflächen zusammen und klemmte sie zwischen die Knie. Starrte auf seine Hosenbeine. Er war fünfzehn und verhielt sich wie ein Achtjähriger.
    Photini kannte Mittvierziger, die sich wie ihre Teenager-Kinder aufführten. Niemand käme auf den Gedanken, sie für zurückgeblieben zu halten.
    »Ich bin nicht behindert«, sagte Nicolas.
    »Ja«, sagte Photini.
    »Die Schule werd ich schon irgendwie schaffen. Die Noten sind mir egal.«
    »Ja.«
    Pause. Sie hielt sich zurück. Wenn Nicolas in Redelaune war, sollte er loslegen. Keine Aufforderungen, Lenkungsmanöver. Früher hatte sie es auch genervt, bei einem Gespräch den Vorstellungen der Erwachsenen zu folgen, so zu reagieren, wie sie es erwarteten. Im Grunde war es immer noch so.
    »Fangen wir endlich an?«, erkundigte sich Nicolas.
    »Womit?«
    »Mit den Tests.«
    »Welchen Tests?«
    »Na, du willst doch bestimmt wissen, ob ich ein Mörder bin oder so was.«
    »Wie kommst du darauf?«, fragte Photini.
    »Du bist von der Polizei, trägst aber keine Uniform. Im Fernsehen suchen solche immer Schwerverbrecher.«
    »Stimmt.«
    »Ich hab ein Stempelkissen. Und Papier, für die Fingerabdrücke.« Er setzte sich auf.
    »Du kennst dich ja ziemlich gut aus.«
    »Als ob das was Besonderes wäre.« Er stand auf und holte die entsprechenden Gegenstände aus dem Schreibtisch.
    Photini spielte mit. Sie nahm seine Finger und drückte sie auf das Stempelkissen und ein Blatt Papier. Dann beschriftete sie jeden Abdruck, schrieb Nicolas’ Personalien daneben, faltete das Blatt gewissenhaft und steckte es in ihr Lederjackett.
    »Brauchst du auch DNA-Proben?«, fragte er. »Desoxyribonukleinsäure. Das ist ein Biomolekül, kommt bei allen Menschen vor.«
    »Ja.«
    »Und, brauchst du meine Moleküle?«
    »Eigentlich nicht. Das machen wir nur bei dringend Tatverdächtigen.«
    »Ich bin also gar kein Verdächtiger?«, wunderte er sich.
    »Nein.«
    »Schade.« Enttäuscht ließ er sich wieder auf sein Bett fallen. Dann hatte er eine Idee. »Bist du überhaupt eine richtige Polizistin?«
    »Ja. Kommissarin.«
    »Siehst aber gar nicht so aus.«
    »Wie seh ich denn aus?«
    »Wie die Frau vom Pizzastand. Neben dem Supermarkt.«
    »Aha.«
    »Wenn die mich anschaut, fürchte ich mich immer ein bisschen.«
    »Vor mir brauchst du keine Angst zu haben.«
    »So?« Nicolas grinste.
    »Bestimmt nicht.«
    »Die Frau vom Pizzastand haut mich jedes Mal um, die ist genau meine Kragenweite. Sie kommt aus Trabzon, das liegt am Schwarzen Meer, 220000 Einwohner. Sie ist immer ganz toll geschminkt.« Sein Blick wurde immer länger und blieb am Rand von Photinis weißem T-Shirt hängen. »Jammerschade, dass ich kein Verdächtiger bin. Sonst würdest du mit mir schlafen, um mehr aus mir rauszukriegen.«
    Sie erstarrte. Versuchte ernst zu bleiben. »Ich kann kaum widerstehen.«
    »Echt?«
    Sie zögerte. »Klar.«
    »Ich muss nämlich bald meine ersten Erfahrungen machen, in sexueller Hinsicht. Da wärst du genau die Richtige.«
    »Leider hab ich einen Freund. Dem würde das gar nicht gefallen.«
    »Der braucht das doch nicht mitzukriegen. Außerdem könntest du sagen, dass es rein beruflich war.«
    Photini rührte sich nicht. Dieser kleine Teufel ließ nicht locker. Von wegen zurückgeblieben. Bei dem Jungen tanzten die Hormone Cha-Cha-Cha. Sollte sie seine Illusionen zerstören?
    »Ein wenig Liebe muss schon dabei sein«, sagte sie schließlich. »Das braucht eine Weile, das baut sich so auf, wenn man sich öfter sieht und nett unterhält.«
    Sie drehte die Augen zur Decke. Eine Notlüge. Bei Patrick hatte sie schon in der ersten Nacht die Initiative ergriffen. Und Himmel noch mal, sie war auf ihre Kosten gekommen.
    Nicolas überlegte. »Dann sollte ich vielleicht besser mit deinem Chef sprechen. Ich möchte meine Zeit nicht mit Untergebenen vergeuden.«
    Okay, jetzt hätte er es verdient, übers Knie gelegt zu werden. »Was willst du Kommissar Raupach denn sagen?«, zwang sie sich zu antworten.
    »Der soll mich Sachen fragen! So läuft das doch!« Er warf die Arme hoch. »Du sagst immer nur ›ja‹ und wartest, bis ich wieder was sage. Wie die Lehrer.«
    So viel zu Asperger, dachte Photini. Viele Kinder brachten einfach nicht das Maul auf, besonders in der Pubertät. Bis eine Dumme daherkam, bei der die Dämme brachen.
    »Also gut«, fuhr sie fort. »Wo warst du gestern Nacht?«
    »Hier. In meinem

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