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Das geheime Kind

Das geheime Kind

Titel: Das geheime Kind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Kastura
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noch?«
    »Wollen Sie wissen, wie unser Intimleben war?« Sie klang gereizt und fügte ironisch hinzu: »Ob wir eine erfüllte Beziehung hatten?«
    »Wenn Sie es mir sagen möchten.«
    »Das interessiert Sie nicht wirklich.«
    »Doch.«
     
    VERA BAHLING TASTETE NACH ZIGARETTEN. Sie holte eine Packung aus der Hosentasche, zündete sich eine an und setzte sich aufs Bett. Inhalierte, blies den Rauch an die Decke, sah sich nach einem Aschenbecher um, fand keinen. Wollte eine Tablettenschachtel aus dem Aktenkoffer nehmen, doch Raupach hielt sie mit dem Hinweis davon ab, dass die Medikamente vielleicht Beweismittel waren und der Spurensicherung übergeben werden mussten. Sie zuckte mit den Schultern und aschte auf ihre Handfläche. Dies alles verschaffte ihr Zeit.
    »Otto schlief hier drüben«, begann sie schließlich, »weil er nach seinen Sauftouren zu anhänglich wurde. Hatten Sie schon mal Sex mit einem Trinker? Wenn er Sie mitten in der Nacht aus dem Schlaf reißt? Das fühlt sich an, als würde ein Fremder an Ihnen rummachen. Sie geben sich einen Ruck, um ihm ein Erfolgserlebnis zu verschaffen. Sie wissen, dass er es am nächsten Tag vergessen hat. Aber das spielt keine Rolle, die Gefühle zählen, Gefühle passieren nur jetzt, in der Gegenwart, und mit etwas Glück wirken sie nach, innendrin. Das hoffen Sie und ziehen Ihr Nachthemd aus. Seine Bewegungen sind grob, vom Alkohol verlangsamt, die Bettdecke ist im Weg. Er will sich nicht helfen lassen, rackert sich ab, hält sich für den Größten. Für wie lange? Zählen Sie die Minuten? Sie denken, er wird nie fertig, stellen sich vor, dass er nüchtern wäre. Für ein paar Augenblicke gelingt es Ihnen, die Lust regt sich, na ja, sie klopft kurz an. Aber dann hört er plötzlich auf, wartet eine Weile, unmöglich zu sagen, was ihm dabei durch den Kopf geht. Sie halten still, bis er von neuem ansetzt. Die Pause war zu lang, diesmal müssen Sie ihm helfen. Das dauert, und es ist ihm peinlich, unnötigerweise, Sie sind ja miteinander vertraut. Im Bett sind wir alle gleich, so viele Unterschiede gibt’s da gar nicht. Es ist wie beim Vorturnen in der Schule, nur dass Sie sich selber zuschauen. Sie sehen Ihren Körper, wie er früher mal war, oder wie er sein könnte, wenn Sie mehr auf sich achtgeben würden. Es ist erniedrigend, für Sie und für ihn, bis er irgendwann zum Ende kommt oder auch nicht, den Unterschied spüren Sie kaum.«
    Vera Bahling atmete hörbar aus und hielt eine Weile inne. Versuchte in den unbewegten Augen des Kommissars zu lesen, ob er mit ihren Worten etwas anfangen konnte. »Die Schnapsfahne haben Sie dabei dauernd in der Nase«, fügte sie hinzu. »Das ist das Schlimmste. Dieser Geruch überdeckt alles. Doch ein Rest Liebe schwingt eben auch mit. Schwer zu begreifen, wie?«
    Raupach würde die Liebe nie begreifen. Doch so, wie diese Frau darüber sprach, verstand er ganz gut, was sie meinte. »War es immer so?«
    »Nein. Otto war nicht immer betrunken. Wir hatten auch schöne Momente.«
    »Hier?«
    »Sind Sie verrückt? Das ist Corinnes altes Bett, sie ist vor zwei Jahren ausgezogen.« Sie balancierte ein Aschetürmchen auf ihrer Zigarette. »Wir sind immer zu mir rübergegangen, wie es sich gehört.« Die Asche fiel auf den Boden.
    »Wäre es möglich, dass sich Otto woanders Befriedigung verschafft hat?«, fragte Raupach. »Das würde seine hohen Ausgaben erklären.«
    Sie runzelte die Stirn. Dann begriff sie. »Dass er zu Nutten ging? Kein angenehmer Gedanke … Aber ja, vielleicht. Das kostet ja einiges.«
    »Oder er hatte andere Verpflichtungen, von denen Sie nichts wussten.«
    »Ein Verhältnis?« Vera Bahling ging zum Fenster, machte es auf und warf die Kippe nach draußen. »Mit wem denn? Einer Pennerin?« Es klang betont abfällig.
    »Ist Ihnen der Verdacht irgendwann gekommen?«
    Sie schaute Raupach nachdenklich an. »Jetzt, wo Sie es sagen. Ja, das könnte sein.«
    »Käme jemand Bestimmtes in Frage?«
    »Ich weiß es nicht. Im Grunde kann ich Ihnen kaum etwas über Otto sagen. Nur über mich. Wie er auf mich wirkte. Dabei ist mir wohl viel entgangen.« Sie erschrak über sich selbst. Ihre Mundwinkel gefroren. »Ist das nicht traurig?«
    »Und wo waren Sie in der vergangenen Nacht?«
    »Zu Hause. Ich hab ferngesehen und bin drüber eingeschlafen.«
    »Gibt es dafür Zeugen? Ihre Söhne vielleicht, Thorben oder Nicolas?«
    Vera Bahling realisierte, dass der Kommissar sie verdächtigte. Er stellte sie zur Rede wie eine mutmaßliche

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