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Das geheime Kind

Das geheime Kind

Titel: Das geheime Kind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Kastura
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konnte.
    Milan trug die gleiche Lederjacke wie am Nachmittag. Er blieb etwa fünfzig Meter vor ihr stehen und schaute sich erneut um.
    Sie drehte sich aus der Sichtachse und schlüpfte hinter einen Pfeiler. Verharrte ein, zwei Sekunden. Spähte an der Kante vorbei.
    Die Leute gingen schneller, anscheinend fuhr gerade eine Bahn ein. Milan konnte Photini nirgends sehen. Sollte er sich unter die Fahrgäste mischen? Das war riskant. Die Bullen veranlassten die U-Bahnen möglicherweise zu einem Nothalt mitten auf der Strecke, gaben seine Personenbeschreibung über Lautsprecher durch und warteten dann an der nächsten Haltestelle, um ihn dort in Empfang zu nehmen. Er säße in der Falle.
    Also weiter auf dem Zwischengeschoss.
    Kameraassistentin. Hin und wieder rauch ich was. Er wurde unvorsichtig, ärgerte sich darüber, dass er auf so eine billige Nummer hereingefallen war.
    Vorsicht? Vielleicht war keine Zeit mehr für langes Nachdenken und Taktieren. Besser auf und davon, raus aus der Stadt. Diese furchtbare Tragödie hinter sich lassen und irgendwo neu anfangen. Taxi konnte er überall fahren, in Dortmund, Antwerpen, Amsterdam, dort gab es immer Fuhrunternehmen, die es mit dem Vorleben ihrer Mitarbeiter nicht so genau nahmen. Zur Not heuerte er bei einer Spedition an und karrte Import-/Exportware durch die Gegend. Auf eigenen Beinen stand er schon lange.
    Er musste jetzt Entscheidungen treffen und den Sturm der Gefühle, der vor noch nicht einmal 24 Stunden mit voller Wucht über ihn hereingebrochen war, abwehren. Auf keinen Fall durfte er die Nerven verlieren.
    Milan nahm einen Aufgang, der hoch in die Grünanlagen führte. Beschleunigte seine Schritte, schaute sich nicht um.
    Er lief weg, das wurde ihm jetzt klar. Und wer weglief, besaß Schwachstellen, ließ es so aussehen, als wäre er auf irgendeine Weise schuldig. Von wegen Neuanfang in einer anderen Stadt. Das würde nie klappen, nicht mit diesem Mühlstein um seinen Hals. Er musste reden, es immer wieder probieren, auch wenn es schwerfiel. Einfach Losrennen war keine Lösung, obwohl er momentan keine andere Wahl hatte. Reden oder rennen, man konnte beides schlecht gleichzeitig machen.
    Der Fuß, der von der Seite auf ihn zuschnellte, steckte in Schuhen, wie man sie beim Nordic Walking benutzte.
    Wie jeder Jogger verachtete Photini Walker. Aus Hundefreunden wurden ja auch keine Katzenliebhaber und umgekehrt. Doch Walkingschuhe eigneten sich für Polizeieinsätze besser als weiche Laufschuhe, die Sohle war fester, die Verarbeitung solider. Damit konnte man einem flüchtigen Verdächtigen, dem man nach einem kurzen, bogenförmigen Spurt den Weg abgeschnitten hatte, schon mal den Kiefer eintreten.
    Milan brach zusammen. Photini untersuchte ihn, um festzustellen, wie stark er verletzt war. Es hielt sich in Grenzen. Dann suchte sie in seiner Jacke nach einem funktionierenden Handy und rief Hilfe herbei.
     
    NICOLAS GING in ein Internet-Café. Die Aufsicht wies ihm auf seine knappe Bitte ein Terminal zu. Er setzte sich und startete ein Navigationsprogramm.
    Nachrichten. Lokales. Stand schon irgendwas von dem Brand im Netz?
    Er fand eine winzige DPA-Meldung und zwei Aufnahmen auf Youtube, jemand hatte das Feuer mit dem Handy aufgenommen. Die Filme waren jeweils nur dreißig Sekunden lang, aber Nicolas ließ sie wieder und wieder ablaufen, sprang vor und zurück. Er wollte nur die Flammen sehen, den hellen Schein und das Dunkle im Inneren.
    Er fühlte sich stark. Und starke Männer brauchten Frauen. Die Frage war nur: welche Frauen?
    Nacheinander rief er verschiedene Erotikseiten auf. Die Auswahl sprengte jeden Rahmen: alle Hautfarben, alle Altersgruppen, alle sexuellen Praktiken waren im Internet abrufbar, wenn man die richtigen Tasten drückte.
    Nicolas wollte es möglichst echt. Also mussten es Kölnerinnen sein, Amateure, wobei das meiste gar nicht amateurhaft aussah, sondern kalkuliert und in bester Bildauflösung. Er war ihnen längst auf die Schliche gekommen. Die taten nur so, als machten die das in ihrer Freizeit und hätten Spaß daran. In Wirklichkeit wollten sie nur ein paar schnelle Euros verdienen.
    Vielleicht sollte er mal einen Live-Chat mit Webcam ausprobieren. Das hatte er noch nie gemacht, immer nur Fotos und Filme angeklickt. Er fand eine Website, über die er sich kostenlos in www.koelsche-girls.de einloggen konnte. Betrachtete die Mini-Bildchen von Yvonne, Sidonie, Lara und Wendy, alles ziemlich harmlos, sie trugen Bikinis, oder der Zipfel eines

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