Das geheime Leben der CeeCee Wilkes
du tun sollen. Und selbst im süßen Alter von sechzehn wusstest du das, nicht wahr?”
“Ja”, flüsterte ihre Mutter. “Ich wusste es.”
“Wie konntest du meine Mutter so sterben lassen?”
Ihr Vater setzte sich auf. “Cory, was möchtest du denn jetzt hören?”
“Wie geht es dir denn damit, Dad, dass sie dich all die Jahre belogen hat?” Zwar stellte sie ihrem Vater diese Frage, dachte aber daran, wie Ken sie all die Jahre hintergangen hatte. War denn noch nie jemand ehrlich zu ihr gewesen?
“Es fühlt sich beschissen an. Ich kämpfe mit meinen Gefühlen, damit, das alles zu begreifen. Aber ich liebe … deine Mutter. Wir haben beide hart dafür gearbeitet, dir und Dru liebevolle Eltern zu sein. Sie ist nicht mehr das Mädchen, das sie damals war, Cor…”
Er drehte den Kopf, als draußen eine Tür zugeknallt wurde, spähte kurz aus dem Fenster und schloss dann die Augen. “Verdammt.”
“Wer ist das?” Corinne stand auf. Ein Streifenwagen hatte hinter Drus Auto geparkt. Ein weiterer stand auf der Straße. Drei uniformierte Polizisten liefen auf ihre Tür zu.
“Die Polizei ist da.” Sie sah ihre Mutter an, die nur nickte.
Corinne öffnete die Tür, bevor die Männer die Chance hatten, zu klingeln.
“Sind Sie Corinne Elliott?”, fragte einer von ihnen.
Sie nickte verwundert.
“Ist Eve Elliott hier?”
“Ja.” Sie ließ die Männer eintreten.
Ihre Mutter richtete sich mühsam auf und hielt sich an Jacks Arm fest.
“Eve Elliott?”, wollte einer der Polizisten wissen.
“Ja”, flüsterte ihre Mutter.
“Sie sind verhaftet wegen der Entführung von Genevieve Russell und deren Tochter, wegen Mitverschwörung, Urkundenfälschung …”
Corinne lauschte der langen Liste der Verfehlungen ihrer Mutter. Ihr wurde schwarz vor Augen. Sie klammerte sich an der Sofalehne fest. Einen Moment überlegte sie, wer das Baby war, von dem der Polizist sprach, bis ihr bewusst wurde, dass von ihr selbst die Rede war. Sie war zwei Personen.
“Bitte keine Handschellen.” Ihr Vater packte die Hand eines Polizisten, ließ sie dann aber schnell los. “Bitte”, sagte er. “Sie hat große Schmerzen in den Handgelenken.”
“Ist schon gut, Jack”, sagte ihre Mutter. Sie fügte sich wortlos, schien die Handschellen kaum wahrzunehmen. Ihre Augen waren auf Corinne gerichtet, die es genoss, dass Eve wie die Kriminelle behandelt wurde, die sie nun mal war. Ihre Mutter sollte genauso leiden wie sie.
“Ich fahre in Drus Auto hinterher”, rief ihr Vater ihrer Mutter zu. Er war so besorgt. So verständnisvoll. Er war schon immer ein Schwächling gewesen.
Sie beobachtete, wie ihre Mutter zum Polizeiwagen gezerrt wurde, und am liebsten hätte sie geschrien: “Sie kann nicht so schnell laufen!” Ihre Brust zog sich schmerzhaft zusammen, als sie sah, wie die einzige Mutter, die sie jemals gekannt hatte, über den Weg und aus ihrem Leben humpelte.
57. KAPITEL
A m nächsten Tag versuchten ständig irgendwelche Journalisten, sie anzurufen, während Reporter sich vor ihrem Haus versammelten. Corinne zog die Vorhänge zu, setzte sich dann im Schlafzimmer aufs Bett und schaute Nachrichten. J.B. MacIntyre, Kens Konkurrent beim Sender WIGH, stand vor dem Gerichtsgebäude und verkündete, dass Timothy Gleason zu lebenslanger Haft verurteilt worden war. Eine Stunde später sah sie ihn im Fernseher, direkt vor ihrem Haus stehend.
“Ironischerweise”, sagte er, “führen die neuesten Entwicklungen im Fall Timothy Gleason zum Haus des WIGH-Reporters Ken Carmichael.”
Corinne hasste MacIntyres Stimme. Er dramatisierte alles. Er schaffte es sogar, aus einem Pickel eine lebensbedrohliche Krankheit zu machen.
“Eve Bailey Elliott alias CeeCee Wilkes wurde hier letzte Nacht festgenommen, in dem Haus, das Carmichael mit seiner Verlobten Corinne Elliott teilt. Eve Elliott hat gestanden, dass sie Russells neugeborenes Kind im Jahr 1977 entführt und als ihre eigene Tochter aufgezogen hat.”
Ein Foto von Corinne wurde gezeigt, das vor einiger Zeit bei einem WIGH-Dinner aufgenommen worden war und auf Kens Schreibtisch im Sender stand, und gleich darauf das von Genevieve Russell, das nun seit Wochen schon durch die Presse geisterte. “Elliott hat ihre Mithilfe bei der Entführung gestanden, kurz bevor sie in diesem Haus mit ihrem Mann und ihrer anderen Tochter Zuflucht suchen wollte.”
Zuflucht? Wohl kaum, dachte Corinne.
“Irving Russell verweigert bisher noch jede Stellungnahme, genauso wie seine Tochter
Weitere Kostenlose Bücher