Das geheime Leben der CeeCee Wilkes
Nach ihrer angeblichen Trennung hatte sie Tim genauso oft getroffen wie vorher. Meist behauptete sie, mit einer Freundin verabredet zu sein, fuhr dann aber zu Tim, um mit ihm zu schlafen und sich versichern zu lassen, dass alles gut werden würde.
“Bist du sicher?”, fragte Tim, nachdem sie mehrere Minuten durch den dunklen Wald gefahren waren.
“Ja, ich bin sicher.” Im selben Moment tauchte ein Haus auf einer kleinen Lichtung auf. “Das ist es.”
Es war ein winziges, weiß gestrichenes Haus, aus dessen Schornstein Rauch aufstieg. Ein kleines Mädchen saß auf einer verrosteten Schaukel und beugte sich so weit nach hinten, dass sein langes blondes Haar über den Boden fegte. Drei Autos, alt und rostig, ein Lastwagen und ein VW-Bus parkten auf der anderen Seite des Hauses.
“Sieht aus, als gäbe es eine undichte Stelle”, sagte Marty, und CeeCee entdeckte einen Mann auf dem Dach, der gerade eine blaue Plastikplane über den Schindeln ausbreitete. Als er sie entdeckt hatte, richtete er sich auf, zögerte einen Moment, dann kletterte er die Leiter hinunter. Zwei räudige, kläffende Hunde rannten auf den Wagen zu, als die drei ausstiegen. CeeCee bekam sofort Angst vor diesen Zähne fletschenden Ungeheuern, wollte es Tim gegenüber aber nicht zeigen. Wenn sie mit einer solchen Situation nicht umgehen konnte, wie sollte sie dann die nächsten Tage überstehen?
“Hallo ihr”, begrüßte sie die Hunde mutig mit eng an den Körper gepressten Armen. Die Hunde schnüffelten an ihren Beinen und begannen dann freundlich mit den Schwänzen zu wedeln.
Der Mann kam auf sie zu. Er war groß, bärtig und kräftig. Er sah aus wie jemand, der harte Arbeit gewöhnt war. Hastig wischte er sich die Hand an einem Lappen an seinem Gürtel ab, dann streckte er sie Marty entgegen.
“Wie sieht’s aus, Kumpel?”, fragte er.
“Ganz gut. Das sind also mein Bruder Tim und seine Freundin CeeCee. Und das ist Forrest,” stellte Marty den Mann vor.
Das kleine Mädchen sprang flink von der Schaukel, kam auf ihn zugerannt und umklammerte seine Beine. “Ist das der Besuch?”
Forrest legte seine große Hand auf den Kopf des Kindes. “Ja, Liebling.” Dann wandte er sich an die Besucher. “Das ist Dahlia.”
“Ich bin fünf”, sagte Dahlia.
CeeCees Lachen klang nervös, doch von dem Mädchen schien sie verzaubert. “Meine Güte, fünf”, sagte sie. “Gehst du in den Kindergarten?”
“Mommy lernt mit mir. Wo hört dein Haar auf?” Sie ließ ihren Vater los und lief hinter CeeCee. “Das geht ja bis zu deinem Po!”, rief sie begeistert. “Ich will mein Haar auch so lang wachsen lassen.”
“Lass sie in Ruhe, Dahlia.” Forrests Stimme klang schroff. “War es schwer, uns zu finden?”
“Kein Problem”, entgegnete Tim. “Wir müssen nur noch herausfinden, wie wir von hier zur Hütte kommen.”
Während der Fahrt war die Hütte kein einziges Mal erwähnt worden, doch vergessen hatte CeeCee sie keine Sekunde. Dort würden sie das Gefängnis für die Frau des Gouverneurs einrichten.
“Ich habe eine Karte, die ihr euch ansehen könnt”, sagte Forrest.
“Gut.” Tim nickte.
Sie folgten dem Mann durch die Eingangstür. Das Innere bildete einen unerwarteten Kontrast zu dem schäbigen Äußeren. In einem kleinen Kamin prasselte ein Feuer und der Geruch von Rauch vermischte sich mit einem anderen, köstlichen Duft. Die Möbel waren alt und abgenutzt, aber der ganze Raum wirkte ordentlich und gemütlich. Sie gingen durch das Wohnzimmer in die Küche, wo eine Frau in einem langen hellgelben Rock und einer blauen Bauernbluse gerade einen Laib Brot aus dem Ofen zog.
“Das riecht gut”, sagte Tim.
Die Frau legte das Brot neben zwei weitere Laibe und schloss den Backofen. Sie schien nicht gerade erfreut über den Besuch.
“Naomi”, sagte Forrest und hob Dahlia auf seine Schulter. “Du erinnerst dich an Marty?”
“Du hättest nicht kommen sollen, Marty”, entgegnete die Frau. Sie hatte hellbraunes schulterlanges Haar, das von einer Spange am Hinterkopf zusammengehalten wurde.
Marty ignorierte ihre Worte. “Das sind Tim und seine Freundin CeeCee.”
Ein leises Weinen erklang aus der Ecke, in der CeeCee eine Wiege entdeckte. Naomi lief hinüber und nahm ein Baby auf den Arm. Dann verließ sie wortlos das Zimmer.
“Ihr gefällt es nicht, dass ihr gekommen seid”, erklärte Forrest. “Ihr müsst das verstehen, es ist für uns schon Jahre her. Wir haben hier ein gutes Leben, und sie hat Angst, dass ihr
Weitere Kostenlose Bücher