Das geheime Leben der CeeCee Wilkes
Wort.
CeeCee schreckte in der Dunkelheit hoch, als eine Autotür zugeknallt wurde. Sie zitterte noch immer, obwohl es in der Hütte inzwischen recht warm geworden war. Draußen erklangen Stimmen. Schnell sprang sie aus dem Bett, rannte ins Wohnzimmer und starrte aus dem Fenster. Sie konnte nichts sehen, ihr war schwindlig und übel, sie hatte das Gefühl, sich übergeben zu müssen. Ihr Herz hämmerte laut in ihren Ohren und sie musste sich an eine Stuhllehne klammern, um nicht umzukippen.
Durch ein anderes Fenster konnte sie Licht im Bus erkennen. Marty zerrte gerade eine Frau mit verbundenen Augen vom Rücksitz.
Ihre Maske! Sie flitzte zurück ins Schlafzimmer, um ihr Haar festzustecken. Mehrere Nadeln fielen aus ihren zitternden Fingern zu Boden. Als an die Tür geklopft wurde, zog sie schnell die Perücke auf und legte die Maske an.
“Komme!”, rief sie. “Oh Gott, oh Gott, oh Gott”, murmelte sie leise vor sich hin, während sie die Tür aufschloss.
Marty und Tim mussten die Frau gemeinsam durch die Tür schieben. Sie war fast genauso groß wie die beiden.
“Nein!”, schrie die Frau und schlug mit ihren gefesselten Händen um sich. “Lasst mich los!” Ihr rotes kurzes Haar war zerzaust und ihr Gesicht rot von der Kälte oder vom Weinen. Sie trug einen Pelzmantel. Echter Pelz, dachte CeeCee. Dunkel und schwer und glänzend. Und sie war sehr dick.
“Sie ist ein starrsinniges Miststück”, rief Marty, als er die Frau an ihr vorbeistieß, aber obwohl ihre Augen unter der Binde nicht zu sehen waren, wirkte sie eher verängstigt als starrsinnig.
“Keine Angst”, versuchte CeeCee sie zu beruhigen.
Die Frau hörte auf, sich zu wehren. “Wer bist du?”
CeeCee hatte gar nicht über einen Namen nachgedacht. “Dornröschen”, antwortete sie deshalb. “Und wie heißen Sie?”
“Ihr Name ist Genevieve”, antwortete Tim an ihrer Stelle mit einem Gesicht, als ob der Name ihm einen schlechten Nachgeschmack bescherte. Er nahm Genevieve die Binde ab, sie blinzelte kurz und sah CeeCee mit ihren verheulten blauen Augen an. “Wer bist du? Warum trägst du eine Maske? Was soll das alles?”
“Müssen die Handschellen sein?”, fragte CeeCee.
“Benimmst du dich jetzt anständig?” Tim starrte die Frau an.
Genevieve antwortete nicht, stattdessen versuchte sie, CeeCee trotz der Maske direkt in die Augen zu sehen. Sie hatten etwas gemeinsam: Sie beide saßen hier in der Falle.
Tim zog einen kleinen Schlüssel aus der Tasche und schloss die Handschellen auf. Kaum waren ihre Hände frei, schlug Genevieve ihm hart ins Gesicht, ungefähr so fest wie CeeCee damals bei ihrer inszenierten Trennung auf der Franklin Street.
“Du Schlampe!” Marty packte ihr Handgelenk, aber Tim lächelte nur. Er wirkte unsicher, als ob ihm die Situation über den Kopf gewachsen wäre. Es ängstigte CeeCee, ihn so zu erleben. Wenigstens er musste doch davon überzeugt sein, das Richtige zu tun. Überzeugt genug, dass es für sie beide reichte.
“Lass mich los!” Genevieve versuchte, sich aus Martys Griff zu befreien.
“Lass sie los”, stimmte CeeCee ihr zu. Immer schon hatte sie sich vor körperlichen Auseinandersetzungen gefürchtet. “Ist schon in Ordnung”, fuhr CeeCee fort. “Sie kann sowieso nicht weglaufen.”
Marty ließ sie los, Genevieve rieb sich das Handgelenk.
“Zieh dieses Tier aus, das du da trägst”, befahl Tim. Er half ihr dabei, als wären sie in einem Restaurant. Und dann wurde klar, dass Genevieve nicht im Geringsten dick war.
“Sie ist
schwanger”
, rief CeeCee.
“Nun, wenigstens einer hier kapiert, was los ist”, sagte die Frau. Sie trug einen langen dunkelblauen Pulli und hellblaue Hosen. “Das habe ich diesen Idioten während der ganzen Fahrt hierher immer wieder gesagt. Ich bin in der siebenunddreißigsten Woche und es handelt sich um eine Risikoschwangerschaft.” Ihre Stimme brach, sie legte eine Hand auf den Bauch. “Bitte, bringt mich zurück”, flehte sie Tim an.
“Wusstest du, dass sie schwanger ist?” CeeCee wandte sich an Tim, doch Marty antwortete.
“Ist doch keine große Sache.”
Von wegen, dachte CeeCee aufgebracht. Sie setzten ein Menschenleben aufs Spiel. Beziehungsweise zwei.
“Wenn dein Mann tut, was wir sagen”, begann Tim, den Blick starr auf den Bauch der Frau geheftet, “bist du schneller wieder zu Hause, als du denkst.”
“Siebenunddreißigste Woche”, wiederholte Genevieve. “Das sind mehr als acht Monate. Verstehst du?”
“Ich verstehe
Weitere Kostenlose Bücher