Das geheime Leben der CeeCee Wilkes
…” Musste was erfahren? Was geschehen war? Ihre Leiche holen? Oder was? Sie schloss die Augen. “Es ist so furchtbar.”
“Das ist es allerdings.”
“Bist du sicher, dass Forrest das tun wird? Er ist so sauer auf mich.”
“Er wird es tun. Denn wenn du gefasst wirst, sind wir auch dran. Kannst du ihm sagen, wie er dorthin kommt?”
“Ich … vielleicht. Ich versuche es.”
“Du bist ja völlig am Ende.” Naomi musterte ihre Kleider. “Du solltest dich waschen.”
CeeCee blickte auf ihre Flanellbluse, die steif von Blut war. Ihre Jeans waren kalt und nass und die ungeschnürten Tennisschuhe voller roter Flecken. Sie setzte sich wieder. Genevieves Blut an sich zu entdecken, ließ sie erschaudern.
“Nimm eine Dusche. Steck deine Klamotten und die Perücke in eine Tüte, wir werden alles verbrennen, wenn Forrest mit dem Rest zurück ist.”
CeeCee berührte ihren Kopf. Sie hatte die blonde Perücke tatsächlich noch auf.
“Such dir selbst frische Kleider aus.” Naomi klang, als ob sie so etwas schon hundert Mal zuvor getan hätte. “Los jetzt.” Sie stieß CeeCee mit dem Ellbogen an. “Ich kümmere mich um das Baby.”
Sie badete lieber, als zu duschen, weil sie befürchtete, dass ihre Beine unter ihr nachgeben könnten, wusch ihr Haar mit Naomis Shampoo und schrubbte sich dann heftig mit einer nach Zitronen duftenden Seife ab. Die ganze Zeit über weinte sie. Immer wieder sah sie Genevieve vor sich. Genevieve, wie sie die Arme nach dem Baby ausstreckte. Wie sie CeeCee bat, das Baby nicht sterben zu lassen. Genevieve hatte gewusst, wie es um sie stand, sie hatte es gewusst.
Als sie aus der Wanne stieg und ein Handtuch gegen die Augen presste, dachte sie an Genevieves fünfjährige Tochter Vivian, die jetzt keine Mutter mehr hatte. Hör auf zu denken, rief sie sich zur Ordnung und schüttelte den Kopf, um das Bild zu verscheuchen. Sie hatte genug geheult. Nun musste sie einen Weg finden, das Kind zum Gouverneur zu bringen. Und sie musste mit Tim sprechen.
Sie zog eine Jeans von Naomi an, die ihr zu lang war, ein rot-weiß kariertes Flanellhemd und Mokassins. Als sie das Badezimmer verließ, hörte sie zwei Babys schreien. Naomi wärmte gerade in der Küche ein Fläschchen auf und hatte Genevieves Kind in ihr Tragetuch gelegt. Emmanuel brüllte in seiner Wiege, als ob er wüsste, dass er von seinem Platz verdrängt worden war.
“Kann sie darin denn atmen?” CeeCee spähte in die Schlinge.
“Wie hört es sich denn an?” Naomi nahm das Baby heraus und übergab es CeeCee. Es war so leicht und winzig in seinem blauen Frotteeschlafanzug und duftete nach Babypuder. CeeCee schaukelte es auf die Art, wie sie es bei Naomi beobachtet hatte, und versuchte erfolglos, es zu besänftigen. Das Baby schrie nun schon so lange. Es klang, als hätte es furchtbare Schmerzen.
“Hat sie sich vielleicht selbst verletzt?”, fragte CeeCee.
“Ihr geht’s gut. Sie hat nur Hunger, und darum kümmern wir uns gleich.”
“Können wir versuchen, Tim anzurufen, während wir sie füttern?”
“Setz dich vor den Kamin in den Schaukelstuhl. Ich bringe dir das Fläschchen, und dann kann ich Emmanuel stillen. Forrest ist zur Hütte gefahren. Er glaubt den Weg zu kennen, weil er zusammen mit Tim und Marty die Karte studiert hatte.” Sie blickte aus dem Fenster. Der Himmel färbte sich langsam hell. “Er wollte das erledigen, bevor es zu hell ist”, fügte sie müde hinzu.
CeeCee hatte sein komplettes Familienleben auf den Kopf gestellt. “Es tut mir so leid, Naomi.”
“Wird schon werden. Los jetzt. Geh ins Wohnzimmer.”
CeeCee setzte sich vor den Kamin, gefolgt von Naomi, die ihr das Fläschchen in die Hand drückte. “Weißt du, wie man ein Baby füttert?”
CeeCee nickte. “Ich habe früher oft Geld als Babysitter verdient. Obwohl die Babys nicht so klein waren. Nicht so
neu.”
Sie legte den Sauger an die Lippen der Kleinen, die sofort begriff und den Mund öffnete.
Naomi nickte anerkennend. “Sie ist ein unproblematisches Kind.” Sie setzte sich, schob den Pulli hoch und legte sich Emmanuel an die Brust. “Endlich”, murmelte sie, als alles Geschrei schließlich aufgehört hatte. “Frieden.” Sie lächelte fast. “Ich habe eine paar von Emmanuels Windeln für sie zurechtgeschnitten.”
“Gut.” Naomi schien es nicht eilig zu haben, Tim anzurufen. “Ich finde, wir sollten Tim und Marty erreichen, bevor sie …”
Naomi unterbrach sie mit einer Handbewegung. “Ich habe bereits mit Tim
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