Das geheime Leben der CeeCee Wilkes
meine, Eve. Indem sie dir helfen, helfen sie uns und Tim und sich selbst. Wir beschützen uns gegenseitig.”
“Gehört Marian auch zu SCAPE?”, fragte CeeCee und wusste im selben Moment, in dem sie den Namen ausgesprochen hatte, dass es ein Fehler war. Naomi hob die Augenbrauen so lange, bis CeeCee die Frage zurücknahm.
“Keine Fragen, ich weiß.” So langsam hatte sie den Eindruck, dass die Hälfte des Landes mit SCAPE zu tun hatte.
Forrest kam um kruz nach vierzehn Uhr beladen mit Windeln, Milchpulver, Schnuller und einem Autokennzeichen aus Carolina zurück.
“Deine Babyausrüstung”, scherzte er. Nie zuvor hatte sie einen so unberechenbaren Mann wie Forrest kennengelernt. Er konnte in der einen Minute nett und in der nächsten feindselig sein. Aber wahrscheinlich war er so begierig auf ihre Abreise, dass er mit Freude alles eingekauft hatte, was ihr Verschwinden beschleunigen würde.
Er überreichte ihr außerdem eine Taschenlampe, einen Wäschekorb als Bett für das Baby, und ein paar Kleider für sie selbst – Jeans und zwei Sweatshirts, die ihr zu groß waren.
“Das ist gut so”, erklärte Naomi. “Darin siehst du so aus, als ob du vor Kurzem ein Kind bekommen hättest.”
Forrest breitete eine Straßenkarte von North Carolina und Virginia auf dem Küchentisch aus und reichte CeeCee eine Wegbeschreibung. “Vergiss nicht, dass du mit Gangschaltung fährst. Das Letzte, was du brauchen kannst, ist, wegen so was von der Polizei angehalten zu werden.”
“Gut.” Sie las die Wegbeschreibung durch. “Könnte ich vielleicht die Karte mitnehmen, für den Fall, dass ich irgendwo falsch abbiege?” In Wahrheit brauchte sie die Karte, um den kleinen Umweg über Raleigh zu finden.
Er betrachtete die Karte, als müsse er darüber nachdenken. “Ja, kannst sie haben.” Er faltete sie zusammen.
“Ihr wart wunderbar.” CeeCee fiel es schwer, die richtigen Worte zu finden.
“Als ob wir ‘ne Wahl gehabt hätten.” Forrest lächelte ihr tatsächlich zu, griff in seine Hemdtasche und gab ihr fünf Zwanzigdollarscheine. “Für die Fahrt. Aber vergiss nicht, dass du niemals hier gewesen bist. Und du darfst nie mehr zurückkommen. Diesmal wirklich nicht, verstanden? Ich will dich hier nicht mehr sehen.”
“Ich weiß.” So langsam hatte sie die Regeln begriffen.
Bevor es dunkel wurde, räumte Forrest für sie das Gepäck in den Wagen. Sie fütterte das Baby vor dem Kamin. Naomi saß ihr gegenüber und stillte Emmanuel. CeeCee war schweigsam, ihre Ängste wuchsen ins Unermessliche. Wenn sie erst einmal diesen sicheren Hafen verlassen hatte, durfte sie nie mehr zurückkommen.
Sie blickte zu Naomi, die sie anlächelte.
“Das ist dein Kind. Schau es an. Fühlt es sich nicht an, als ob es deines wäre?”
“Nein, so fühlt es sich nicht an”, sagte CeeCee. “Es fühlt sich an, als ob ich es gestohlen hätte.”
“Nein, du hast es gerettet”, sagte Naomi.
17. KAPITEL
I ch bin sauer auf Pam. Sie findet es egoistisch, dir Briefe zu hinterlassen. Sie sagte, ich würde so auf rührselige Weise den Abschied hinauszögern, versuchen, ein Teil deines Lebens zu bleiben, statt dich loszulassen. Sie versteht nicht, wie es ist, mit neunundzwanzig sterben zu müssen. Sie wird noch viele Jahre im Leben ihres Sohnes eine Rolle spielen. Ich will einfach nur auf irgendeine Art dein Leben berühren, während du erwachsen wirst.
Schreibe ich diese Briefe, um dich oder mich zu trösten? Ich könnte ein paar Monate über diese Frage nachgrübeln, aber mir bleiben keine Monate mehr. Deswegen schreibe ich weiter, tue einfach, was ich für richtig halte und wovon ich glaube, dass es das Beste für dich ist. Falls es sich letztlich als egoistisch herausstellt, verzeih mir bitte.
Sie stand an einer Kreuzung und versuchte den Mut aufzubringen, auf die Landstraße einzubiegen. In der letzten Stunde war sie über kleine Wege gekrochen und hatte sich besser ausgebaute Straßen herbeigesehnt. Doch jetzt saß sie wie gelähmt in ihrem Wagen. Die Route 70 war zwar nicht stark befahren, die wenigen Autos aber rasten in erschreckendem Tempo an ihr vorbei. Als Tim ihr beigebracht hatte, den Wagen richtig zu bedienen, war sie nie über den dritten Gang hinausgekommen.
Wenigstens spielte das Baby mit. Naomi hatte ihr vorgeschlagen, es während der Fahrt in dem Schultertuch zu tragen, aber das war ihr zu gefährlich erschienen. Was, wenn sie gegen einen Baum prallte? Deswegen schlummerte die Kleine – sie weigerte sich,
Weitere Kostenlose Bücher