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Das geheime Leben der CeeCee Wilkes

Das geheime Leben der CeeCee Wilkes

Titel: Das geheime Leben der CeeCee Wilkes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diane Chamberlain
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berichtet, die er seit seinem Einsatz in Vietnam hatte. Über Tim sagte ein Professor der University of North Carolina, er sei intelligent und fleißig, “hatte aber eine Leidenschaft für den Strafvollzug entwickelt, die so weit ging, dass er wichtige Klausuren versäumte und vermutlich seinen Abschluss im Frühjahr nicht geschafft hätte”.
    Ach, Tim. Sie dachte an die vielen Bücher, die er im Coffeeshop immer vor sich ausgebreitet hatte. Wenn er sich ihr gegenüber geöffnet hätte, vielleicht wäre diese Tragödie zu vermeiden gewesen. Ihr Herz war wieder voller Mitgefühl.
    Der Gouverneur weigerte sich natürlich, Andrea Gleason freizulassen. Er hoffe noch immer auf einen “guten Ausgang”, darauf, dass es seiner Frau und seinem ungeborenen Kind gut ging. Ein Foto des Gouverneurs war abgebildet, das Eve anzusehen vermied. Die Polizei ging davon aus, dass die Brüder allein handelten. Vielleicht aber wussten sie ja auch mehr und ließen sich nur nicht in die Karten schauen. Vielleicht wollte die Polizei sie nur in Sicherheit wiegen, um die Falle dann zuschnappen zu lassen. Die fürchterlichsten Vorstellungen über ihre Gefangennahme geisterten in ihrem Kopf herum.
    Doch dann konnte sie sich nicht länger gegen den Blick des Gouverneurs wehren. Sie betrachtete das Bild. Sein Gesicht kannte sie aus Zeitungen und dem Fernsehen, hatte ihm aber bisher nicht besonders viel Beachtung geschenkt. Für einen Politiker sah er jung aus, er war schlank, hatte dichtes blondes Haar, und er stand allein vor fünf oder sechs Mikrofonen. Seine Wangen waren eingefallen, dunkle Schatten lagen unter seinen Augen. Sie berührte sein Foto mit den Fingerspitzen.
    “Es tut mir so leid”, flüsterte sie.
    Dann sah sie hinab zu Cory, die an ihren Bauch geschmiegt in dem Tragetuch lag. Sie saugte mit geschlossenen Augen an zweien ihrer winzigen Finger und zog dabei ab und zu die Augenbrauen in die Höhe.
    “Ich muss dich zu deinem Daddy bringen”, sagte Eve, wusste aber im selben Moment, dass sie es nicht so meinte. Natürlich konnte sie sich einreden, dass sie aus Sorge um Tim, Marty, Naomi und Forrest nichts unternahm, aber das allein war es nicht. Jeden Tag wurde das Band zwischen ihr und dem Baby enger. Alle hier – Marian, die Nachbarn – dachten, dass Cory ihre Tochter war, und langsam glaubte sie die Lüge beinahe selbst.
    Noch immer weinte sie jeden Tag wie in den Monaten nach dem Tod ihrer Mutter. Sie war in ein furchtbares Verbrechen verwickelt und hatte vielleicht sogar den Tod eines Menschen mitverschuldet.
    Außerdem hatte sie oft das Gefühl, eine schlechte Mutter zu sein. Wenn sie älter wäre, redete sie sich ein, würden sich die notwendigen Fähigkeiten wahrscheinlich von selbst einstellen. Sie kam beispielsweise überhaupt nicht mit den Windeln zurecht, die Marian ihr gegeben hatte. Cory hasste es, gewickelt zu werden, und schrie währenddessen die ganze Zeit. Eve war dadurch schon so verängstigt, dass sie es kaum schaffte, die Windel richtig zuzumachen.
    In einer dieser furchtbaren Nächte war sie beim Aufwärmen des Fläschchens so müde, dass sie den Deckel nicht richtig zudrehte. Als sie Cory füttern wollte, fiel er ab und die ganze warme Milch ergoss sich über das Gesicht der Kleinen. Eve packte sie und rannte zu Marian, voller Angst, Cory könnte den Brei einatmen oder erblinden.
    Tränenüberströmt weckte sie Marian auf. “Nichts mache ich richtig. Ich habe solche Angst, dass sie stirbt, bloß weil ich so eine dumme Mutter bin.”
    Eve bemerkte, dass Marian ein Lachen unterdrücken musste, als sie ihr half, das Baby zu säubern. Aber Marian konnte auch nicht ahnen, wie tief die Angst saß, wie lange sie nachts wach lag, sich die Erste-Hilfe-Maßnahmen von Naomi ins Gedächtnis rief und lauschte, ob Cory noch atmete.
    Die nächsten Wochen bei Marian vergingen wie im Flug. Eve half bei der Kinderbetreuung, was ihr wirkliches Vergnügen bereitete, und manchmal vergaß sie Genevieve und ihre Sehnsucht nach Tim sogar. Nachts allerdings wurde sie von Erinnerungen an beide eingeholt. In den wenigen Stunden, die sie durchschlafen konnte, träumte sie, wie Genevieve sie mit blutverschmiertem Gesicht anstarrte. Du hast mir mein Baby weggenommen, sagte sie. Du hast mich getötet und mir mein Baby weggenommen.
    Wenn sie dann versuchte, wieder einzuschlafen, sehnte sie sich nach Tim. Sie wollte mit ihm sprechen und ihm nahe sein. Es ärgerte sie, dass ihre letzte gemeinsame Nacht durch ihren vorgespielten

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