Das geheime Leben der CeeCee Wilkes
entführe.”
Cory sah sehr besorgt aus. “Du entführst sie?”
“Sie ist in einer Phase, in der alles wörtlich genommen wird”, erklärte Eve.
“Deine Mom und ich gehen in eine Buchhandlung. Einverstanden?”
“Kann ich mitkommen?”
“Nein, Liebes”, antwortete Eve. “Du bleibst mit Marian hier. Aber ich kaufe dir ein Buch, okay?”
“Okay.” Cory flitzte ins Haus. “Marian! Ich bleibe bei dir!”, brüllte sie.
Das Antiquariat befand sich in der Nähe der Universität. Die bis unter die Decken reichenden Regale voll alter Bücher raubten Eve fast den Atem. Sie entdeckte ein uraltes Buch über Psychologie und eine Ausgabe von
Charlotte’s Web
, die sie Cory mitbringen wollte, doch dann fiel ihr ein, dass Charlotte am Ende sterben musste, und sie entschied sich dagegen.
“Ich muss bei Cory vorsichtig sein”, erläuterte sie Jack. “Sie ist oft so ängstlich. Ich will nicht, dass es noch schlimmer wird.”
“Vielleicht bist du zu vorsichtig”, sagte Jack freundlich.
“Man kann nicht vorsichtig genug sein. Wieso sagst du so was?”
Er zog ein staubiges Buch hervor und studierte den Einband. “Ich hätte nichts sagen sollen. Was verstehe ich schon von Kindererziehung?”
“Komm schon. Wie kommst du darauf, dass ich zu vorsichtig bin?”
“Ich habe euch ja nur wenige Stunden zusammen erlebt, also habe ich wirklich kein recht …”
“Jack! Sag schon!”
“Vielleicht verhätschelst du sie etwas zu sehr. Wenn sie wie vorhin auf dem Fahrrad Angst hat oder als sie mich zum ersten Mal sah, da hast du sie irgendwie … ich weiß auch nicht … irgendwie immer sofort getröstet. Ich habe das Gefühl, sie ist schon daran gewöhnt.”
Eve schwieg. Marian hatte ihr schon Ähnliches gesagt.
“Tut mir leid. Es geht mich wirklich nichts an …”
“Nein, ich …” Eve stieß einen Seufzer aus. “Vielleicht hast du recht. Ich mache mir einfach so viele Sorgen um sie.”
“Wovor hast du denn Angst?”
Wo sollte sie bloß anfangen? “Davor, sie irgendwie zu verlieren. Oder davor, dass sie sich wehtun könnte. Dass ihr ein Leid geschieht.”
“Das gehört zum Leben dazu, Eve. Obwohl ich natürlich verstehe, dass du mehr als genug Unschönes erlebt hast.” Er legte einen Arm um ihre Schultern. “Du bist eine gute Mutter. Und eine wunderschöne Mutter.”
Sie war nicht schön. Sie war durchschnittlich, und doch glaubte sie ihm, dass er jedes Wort so meinte, dass er etwas in ihr sah, das anderen Männern entging. Er drückte sich leicht an sie, sie konnte seine Erektion spüren. Es war so lange her, dass sie erregt war. So lange! Zart berührte sie ihn mit dem Handrücken. Er keuchte leise auf.
“Jesus, Mädchen. Du bist ja ganz schön dreist.”
“Tut mir leid.”
“Ich beschwere mich nicht”, meinte Jack lachend.
“Normalerweise bin ich überhaupt nicht … dreist.” Sie musste schmunzeln. “Ich weiß nicht mal, was ich normalerweise bin. Es ist so lange her, dass ich jemanden gemocht habe.”
“Mein Fehler. Dich in einem Buchladen anzumachen! Weißt du, normalerweise bin ich … nun, das schmeichelt mir nicht gerade, aber ich will offen zu dir sein. Wenn eine Frau mich mochte und ich sie attraktiv fand, ging ich sofort mit ihr ins Bett. Es konnte gar nicht schnell genug gehen. Aber so möchte ich es bei uns nicht. Ich meine, natürlich will ich dich. Ich möchte mir nur Zeit lassen und nichts falsch machen.”
“Natürlich”, sagte sie und machte einen Schritt zurück.
“Und jetzt zeig mir, was du in dem alten Psychologieschmöker gefunden hast.”
Sie setzten sich auf den Boden, lehnten sich an die Wand und blätterten die vergilbten Seiten durch.
Später gab er ihr eine Führung durch das Helm Theater, in dem sie ihn hatte spielen sehen. Er sprach davon, dass er in der Highschool Schauspielunterricht geben wolle. Sie erzählte, dass sie vorhatte, nach dem Studium eine Weile zu arbeiten und dann eine Ausbildung als Psychotherapeutin zu machen. Bald wussten sie alles, was sie über ihr aktuelles Leben wissen mussten. Und so sollte es, wenn es nach ihr ging, auch bleiben. Sie hatte keine Vergangenheit. Im Hier und Jetzt würde alles neu beginnen.
26. KAPITEL
A m Ende des Semesters war schon ein gewisser Alltag eingekehrt. Eve besuchte an vier Tagen Vorlesungen und arbeitete am Wochenende in einem Jugendheim. Jack spielte meist ebenfalls am Wochenende Theater, weshalb sie sich nicht allzu oft sahen, und wenn, war Cory dabei. Jack war ein unglaublicher Mann,
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