Das geheime Leben der CeeCee Wilkes
blickte von Eve zu Jack und wieder zurück.
“Betrachte es doch als ein Abenteuer”, sagte Eve und wusste sofort, wie dumm diese Antwort war. Schließlich tat Cory alles, um Abenteuern aus dem Weg zu gehen.
“Du wirst ganz viel Spaß haben.” Jack trank einen Schluck Kaffee. “Ihr lernt dort alberne Lieder und esst Unmengen Süßigkeiten. Die Jungs von dem Pfadfindercamp auf der anderen Seite des Flusses werden nachts zu euch kommen, und dann könnt ihr alle ins Zelt der Erwachsenen schleichen und die Schnürsenkel zusammenknoten.”
“Dad!”
Cory stöhnte. “Warum kannst du nicht mitkommen, Mom?”
“Du weißt doch, warum.” Eve schaute um die Ecke nach Dru, dann setzte sie sich wieder an den Tisch.
“Dad kann sich um Dru kümmern.”
“Nein, kann Dad nicht”, erwiderte Jack. “Dad hat heute Abend eine Theaterprobe, die seine Schüler dringend nötig haben.” Er unterrichtete inzwischen Schauspiel an der Universität und war im siebten Himmel.
Er stand auf und trug seine Müslischale zum Spülbecken. “Oh, Rocky Waschbär”, sang er zu der Melodie eines alten Beatles-Liedes, “sah die kleine Cory schlafend in ihrem Zelt. Rocky kroch schnell hinein, grinste sie an und knabberte an ihren Zehen.”
Cory verzog keine Miene. Mit neuneinhalb hatte sie sich inzwischen schon an den merkwürdigen Humor ihres Vaters gewöhnt.
“Du wirst das erste Mal in einem Zeltlager nie vergessen”, behauptete Eve, obwohl sie selbst niemals zelten gewesen war und fast genauso viel Angst hatte wie Cory selbst. Sie bezweifelte jedoch, dass eines der andern Pfadfindermädchen heute Morgen Probleme hatte, sein Frühstück zu essen.
Eve fuhr sie zur Schule. Überall hockten Mädchen plappernd und kichernd auf ihren Schlafsäcken, während sie auf den Bus warteten. Eve gab Cory einen Kuss und sah ihr hinterher, wie sie mit ihrem Gepäck lostrottete, als wäre sie auf dem Weg zum Schafott.
Jack kam um dreiundzwanzig Uhr von der Theaterprobe nach Hause und warf sich neben sie aufs Bett. Eve las gerade ein Buch über kognitive Therapieformen.
“Irgendwelche Anrufe?”, fragte er, und sie wusste, dass er sich um Cory Sorgen machte.
“Keine Neuigkeiten sind gute Neuigkeiten”, sagte sie.
Er küsste ihre nackte Schulter und ließ seine Hand unter das alte Trägerhemd wandern, das sie zum Schlafen trug. “Ich will nie in einem Haus mit Klimaanlage wohnen”, murmelte er und strich über den Ansatz ihrer Brust.
“Wieso nicht?”
“Weil du dann nicht mehr in engen kleinen Hemdchen herumliegen würdest.”
Sie lachte und begann, sein Hemd aufzuknöpfen.
“Im Ernst”, fuhr er fort. “Als ich hereinkam und dich in diesem dünnen … Fetzen sah, ohne BH, und deine Brustwarzen meinen Namen riefen, da habe ich sofort all meine Sorgen vergessen.”
Eve legte ihr Buch weg. Heute Abend würde sie nicht mehr zum Lesen kommen, und das war vollkommen in Ordnung so.
Der Anruf kam, kurz nachdem sie sich geliebt hatten. Sie lag noch atemlos auf Jack, ihr Kopf schwer auf seiner Schulter.
Sie stützte sich auf den Ellbogen ab und griff nach dem Hörer. Es war Mitternacht.
“Hallo?”
“Tut mir leid, Sie zu wecken, Eve”, begann Linda, eine der Truppenleiterinnen.
“Sagen Sie mir nur, dass sie lebt und kein Blut geflossen ist.”
“Sie lebt und es ist kein Blut geflossen. Aber sie hat eine schwierige Nacht. Um genau zu sein, war der Tag auch schon schwer.”
“Was ist los?” Sie wollte von Jack hinunterrollen, doch er hielt sie fest.
“Im Bus war noch alles in Ordnung, aber dann sind wir zu den Pferden gegangen. Einige der Mädchen wollten reiten. Andere haben einfach nur die Pferde mit Karotten gefüttert und so. Aber Cory blieb im Hintergrund. Sie wissen, was ich meine?”
“Mhm.”
“Ich meine, sie blieb richtig
weit
im Hintergrund. Sie versteckte sich hinter einem Baum, damit die Pferde sie nicht sehen konnten.”
“Oje.”
“Was ist denn?”, wisperte Jack. “Geht es ihr gut?”
Eve legte einen Finger an die Lippen und nickte.
“Beim Abendessen schien es ihr wieder besser zu gehen. Doch dann bekam sie Angst, als es Zeit war, ins Bett zu gehen. Sie teilt sich ein Zelt mit drei anderen Mädchen und weigerte sich, die Taschenlampe auszumachen. Und als sie auf die Toilette musste, traute sie sich nicht, in der Dunkelheit rauszugehen, und machte sich in die Hose. Das ist mir allerdings erst viel später aufgefallen. Wie auch immer, sie hatte Angst, dass ein Waschbär ins Zelt kommen könnte und
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