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Das geheime Leben des László Graf Dracula

Das geheime Leben des László Graf Dracula

Titel: Das geheime Leben des László Graf Dracula Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roderick Anscombe
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geklärt, nicht nur in bezug auf das doppelte Spiel, das Estelle sich mit mir erlaubte, sondern auch hinsichtlich meiner eigenen Gefühle.

    NACHT

    Am späten Nachmittag begann der Himmel sich aufzuhellen, so daß ich unter plausiblem Vorwand das Schloß verlassen konnte; schließlich war Jagdsaison.
    Ich schulterte ein kleinkalibriges Gewehr und ging quer durch die Obstgärten den Hügel hinab. Rückblickend fällt mir auf, daß diese Wegrichtung für einen Jägersmann, der angeblich auf Hasen oder Tauben aus war, doch etwas eigenartig scheinen mußte, und vielleicht hätte ich nicht gerade die Route wählen sollen, die in direkter Linie zu meinem Ziel führte.
    Ich betrat den Wald, wo ich damals mein Pferd angebunden hatte, als ich mit Estelle am Fluß spazierenging. Sofort scheuchte ich ein paar Rebhühner auf und fragte mich, ob ich sie nicht abschießen sollte, um nicht mit leeren Händen heimzukommen und so Verdacht zu erregen, doch ich ließ es bleiben, weil der Lärm mein Überraschungstreffen mit Estelle hätte vereiteln können. Wie anders wäre alles ausgegangen, wenn ich meinem ersten Impuls gefolgt wäre!
    Das plötzliche Aufflattern der Vögel zeigte mir, daß ich zu ungestüm war und mich zu hastig vorpirschte. Ich zwang mich, neben dem Stamm einer alten Eiche stehenzubleiben. Ich war ungeduldig und befürchtete, daß die Dämmerung mir zuvorkommen könnte und daß Estelle sich bereits auf dem Rückweg zur Brücke befände. Als alles wieder still war, schlich ich vorsichtig weiter durch das Unterholz, wobei ich mich immer parallel zum Fluß hielt. Ab und zu blieb ich am Waldrand stehen, sah aber niemanden in der Allee. Ich war bitter enttäuscht, doch es war ja auch möglich, daß Estelle sich irgendwo an einen Baum gelehnt hatte, und so ging ich weiter.
    Auf der Weide warteten die Kühe darauf, zum Melken gerufen zu werden.
    Das Gebimmel ihrer Glocken tönte durch den Abenddunst, der brusthoch über dem Gras hing, und hier und da tauchten verschwommen ihre dunklen Gestalten auf, während ich mich zwischen ihnen hindurchbewegte. Ich überquerte schnell den schmalen Streifen offenen Geländes, ohne das Quietschen meiner Sohlen auf dem nassen Gras vermeiden zu können, und kletterte dann über die Feldsteinmauer auf der anderen Seite. Ich duckte mich in ihren Schatten und horchte. Zuerst war alles still, bis auf das geisterhafte Bimmeln der Kuhglocken und das dumpfe, rhythmische Kiefermahlen eines wiederkäuenden Tiers in der Nähe.
    Doch auf einmal vernahm ich ein leises Flüstern aus dem Dickicht am Flußufer. Wer immer sich dort verbarg, hatte offenbar ein verdächtiges Geräusch gehört und im Gespräch innegehalten, um zu lauschen. So eine Pause erfordert Geduld. Das Opfer ist sich nie ganz sicher, ob Gefahr im Verzug ist, sonst hätte es sich gleich davongemacht, so daß man nur abzuwarten braucht, bis es sich wieder unbedroht wähnt. Nach kurzer Zeit schienen die beiden sich überzeugt zu haben, daß niemand in der Nähe war, und nahmen ihre Unterhaltung wieder auf.
    Erst da erkannte ich Estelles Stimme. Die Worte selbst konnte ich nicht verstehen, doch ich entnahm ihrem nur allzu vertrauten, neckischen Tonfall, worum es sich handeln mochte. Prompt ließ sich denn auch das dunklere Timbre einer Männerstimme vernehmen, die ihr begütigend antwortete. Ich konnte heraushören, daß Estelle sich gegen sein Drängen sträubte; ihr Tonfall wurde schärfer, ihre Sätze kürzer. Ich hätte mich gern näher herangestohlen, aber ich fürchtete zu sehr, daß sie mich entdecken könnten. Die Schande hätte ich nicht ertragen. Jetzt versuchte der Mann, sich mit lockeren Scherzen bei ihr einzuschmeicheln, sie zum Lachen zu bringen. Ich erkannte die Taktik sofort.
    Genauso pflegte ich auch vorzugehen. Ich stellte mir ihr verhaltenes Lächeln vor und das Grübchen, das in ihrer Wange erschien, was ich immer als Zeichen der Ermutigung verstanden hatte. Sie spielte mit uns wie mit Zirkusrobben, belohnte uns ab und zu mit einem Lächeln oder einer Liebkosung, wie man einem abgerichteten Seehund einen Hering zuwirft! Waren wir Männer denn so leicht durchschaubar, so austauschbar? Ich wußte, daß sie nicht mehr lange in dem Gebüsch bleiben konnten, denn sobald die Dämmerung anbrach, würde Estelle heimgehen müssen. Und tatsächlich, als nächstes hörte ich, wie sie ihn fortschickte, so zögernd und zärtlich, daß es mich zornig machte. Er kam dicht an mir vorbei, rückwärts gewandt, um einen letzten Blick

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