Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das geheime Leben des László Graf Dracula

Das geheime Leben des László Graf Dracula

Titel: Das geheime Leben des László Graf Dracula Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roderick Anscombe
Vom Netzwerk:
geschrieben hat.«
    »Brod?« wiederholte ich in einem Ton, in dem sich Ungläubigkeit und Belustigung die Waage hielten.

    7. APRIL 1888

    Stephanie ist keineswegs spröde. Sie hat nur den richtigen Augenblick abgewartet. Und ihr schnippisches Verhalten am Bahnhof ist nur ein Trick. Ich soll mich gefälligst mehr um sie bemühen – nichts anderes will sie damit erreichen. Zu meiner Beschämung muß ich gestehen, daß die Manöver des kleinen Frechdachses nicht völlig erfolglos geblieben sind. Es stört mich nicht im geringsten, solchermaßen manipuliert zu werden. Vielmehr bereiten mir ihre Fallen den größten Genuß, und ich stolpere in sie hinein, sehr wohl wissend, daß ich meine Nöte hätte vermeiden können, wenn ich es nur gewollt hätte.
    An diesem Abend beim Essen zog Stephanie alle Register ihrer Kunst. Um ein besonderes Ereignis daraus zu machen, hatten wir Gregor und ein paar Leute aus der hiesigen Gesellschaft eingeladen, und Brod hatte den Koch überredet, keine Kosten zu scheuen und nur das Allerbeste aufzutischen. Stephanie trug ein von den übrigen Frauen sehr bewundertes Kleid aus blaßgelbem Satin mit einer Turnüre. Wie Nicole uns erklärte, ist es im Stil von Worth in Paris gehalten. Es hebt ihre zarten Gesichtszüge und ihren feinen Teint hervor. Stephanies Äußeres ist von einer engelhaften Anmut, und doch kann ich hier und da Hinweise auf eine gewisse Widerspenstigkeit sehen, die über bloße Koketterie hinausgeht.
    Wir sprachen von Reisen nach Paris und unserer Sehnsucht nach dieser Stadt.
    Insbesondere Elisabeth geriet ins Schwärmen.
    »Sie müssen es so sehr vermissen«, sagte sie an Nicole gewandt.
    »O ja«, seufzte Nicole. »Aber Lothars Stellung nimmt uns zu sehr in Anspruch. Die Pflicht, ständig repräsentieren zu müssen, hält uns in Budapest fest.«
    »Ich würde gern nach Paris fahren«, sagte Stephanie strahlend.
    »Ich habe Cousins von der Seite meines Vaters, die dort leben«, erklärte Nicole.
    »Ich könnte im Sommer bei ihnen wohnen. Es gibt keinen Grund für mich, in Budapest zu bleiben.«
    »Vielleicht nächstes Jahr, wenn du etwas älter bist«, schlug Lothar vor.
    »Ich bin sechs Monate älter als Mari Kemendy, und sie fährt überall hin«, sagte Stephanie. Ihre Augen blieben auf ihren Teller gerichtet, so daß wir ihr provokatives Funkeln nicht sehen konnten.
    Die meisten von uns vermochten mit diesem Namen jedoch nichts anzufangen. Wir sahen einander verwirrt an.
    »Und wer, bitte, ist Mari Kemendy?« fragte ich, ganz der galante Gastgeber, der die Situation rettete, obwohl ich bereits wußte, daß ich Stephanie wieder bei irgendeiner Ungezogenheit half.
    »Eine frühere Schulkameradin«, erwiderte Stephanie und sah mit einem verschwörerischen Lächeln zu mir auf.
    Damit waren wir freilich auch nicht schlauer als zuvor. Es blieb Lothar und Nicole überlassen, uns aufzuklären.
    »Eine ziemlich frühreife junge Dame«, sagte Lothar.
    »Jemand, mit dem wir nichts zu tun haben«, meinte Nicole.
    Das Gespräch wollte an diesem Abend nicht so recht in Gang kommen; dafür waren die Gäste zu unterschiedlich. Immer deutlicher trat uns vor Augen, wie wenig wir mit den von Picks gemein hatten. Wir wußten nichts von den Spielen, die sie erwähnten, und sie wußten nichts von der Lokalpolitik, die in der Gesellschaft auf dem Land alles überragt. Selbst der sonst an so vielem interessierte Gregor, der gewöhnlich begierig auf neue Gesellschaft ist und sich trefflich auf Konversation versteht, schien gelangweilt und brach mit der Entschuldigung auf, daß er am nächsten Morgen eine frühe Messe zu lesen habe. Unsere Nachbarn gingen ebenfalls frühzeitig, angeblich wegen der Entfernung, die sie zurücklegen mußten.
    Lothar und ich genehmigten uns unseren Cognac und unsere Zigarren im Billardzimmer. Es bereitete mir jetzt Unbehagen, mit ihm allein zu sein. Gewiß wird er versuchen, mir als Preis für sein Schweigen in bezug auf Stacia einen Handel aufzuschwatzen.

    »Sicher können Sie es mir jetzt erzählen«, sagte ich in einem neckenden Ton.
    »Was denn?« Lothar sah ein wenig verwundert drein.
    »Wer Mari Kemendy ist.«
    »Mari ist eine außerordentlich sinnliche junge Dame, die ihr Herz daran gehängt hat, die Mätresse des Kronprinzen zu werden. Vielleicht ist sie es bereits. Ich bin nicht auf dem laufenden.«
    »Sie ist eine Freundin von Stephanie? Wie interessant!«
    »Nicht für Stephanies Mama. Nicole hat die Absicht, eine gute Partie für das Mädchen zu finden,

Weitere Kostenlose Bücher