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Das geheime Prinzip der Liebe

Das geheime Prinzip der Liebe

Titel: Das geheime Prinzip der Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hélène Grémillon
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sollst. Und du hast dich gefügt, obszön und willig. Du hast die Stelle, wo deine Finger lagen, gerieben, erst langsam, dann immer schneller, immer heftiger, die Augen auf seinen Penis gerichtet. Dann hast du dich stöhnend aufgebäumt, bevor dein Körper zitternd zurück auf das Laken sank, Paul dich in die Arme schloss und dich wie ein kleines Mädchen wiegte. Er hat dich gefragt, ob du es auch wagen würdest, wenn er nicht da wäre.«
    Ich erzählte ihr Details, die mir nur Paul verraten haben konnte. Sie konnte die Wahrheit nicht ahnen, dass ich nämlich wenige Meter von ihnen entfernt starr und hasserfüllt hinter den Falten des schweren Vorhangs gestanden hatte. Ich wollte diese Intimität ein für alle Mal beschmutzen, ihr die Lust, die sie mit meinem Mann gehabt hatte, selbst in der Erinnerung verbieten. Sie würde nie mehr an ihre Umarmungen denken können, ohne sich vorzustellen, wie Paul sie mir gestand und sagte, dass das alles für ihn nicht
zählte, dass er sich in diesen wenigen Monaten mit ihr verrannt hatte, und wie er mich anflehte, ihm zu verzeihen.
    Diese Konfrontation hatte ich schon so lange geplant. Ich hatte sie vorbereitet, hatte mir jeden Satz überlegt und immer die gemeinste Formulierung ausgewählt. Ich musste Annie in die Flucht, in die Verzweiflung treiben. Sie daran hindern, ihr Unglück zu offenbaren, indem sie als Beweis ihren von der Entbindung geschundenen Körper zur Schau stellte. Ein Arzt hätte mit einem Blick erkannt, welcher von unseren beiden Körpern gerade Leben geschenkt hatte und welcher immer nur eine leere Hülle gewesen war. Ich musste sie so weit demütigen, dass ihr sogar die Energie für diesen Schritt geraubt wurde, ich musste sie in jeder Hinsicht verwundbar und zugleich für alle unannehmbar machen.
    »Ich habe dich angelogen.«
    Bei diesen Worten richtete Annie sich mit fragender Miene auf, in der Hoffnung, ich würde plötzlich alles zurücknehmen, was ich gerade gesagt hatte, und ihr eine andere, weniger ungeheuerliche Version anbieten.
    »Ja, ich habe dich angelogen. Paul hat dich niemals umarmen lassen, in keinem seiner Briefe. Zum Wohle meines Kindes habe ich dir gesagt, was du gern hören wolltest. Ach ja, das hätte ich beinahe vergessen: Paul war so glücklich zu erfahren, dass ich schwanger bin. Er wiederholte immerfort, wir würden endlich eine Familie werden. Wir hätten es so sehr verdient, nach all dem, was wir durchgemacht haben … Merk dir eins: Wenn ein Mann seine Familie in einer schrecklichen Tragödie verliert – wie es Paul geschehen ist –, dann denkt er nur daran, eine neue zu gründen. Selbst der größte Einzelgänger will wissen, wo er hingehört. Mätressen, merk dir das für deine nächsten Hurereien, sind gut für Männer, die sich vor Familie kaum
retten können. Die anderen müssen sich eine aufbauen, so ist das … Der Trieb ist zwar stärker als die Männer, aber die Familie ist stärker als alles.«
    Hinter ihr knallte die Tür zu. Endlich. Es war zu Ende.
    Der Schuss hallte noch in meinem Kopf. Ich sah Altos Körper im Wasser. Ich verstand immer noch nicht, wie das möglich war. Paul hatte nie eine Waffe aus seiner Sammlung geladen aufbewahrt , auch nicht die Derringer. Die Munition für alle Waffen lag seit jeher wild durcheinander in seiner Schreibtischschublade. »Darin würde eine Katze ihre Jungen nicht wiederfinden«, pflegte Sophie zu sagen.
    Paul hätte sie auch nicht geladen, bevor er sie ihr gab, das entsprach nicht seinem Charakter, für ihn waren diese Waffen nur Andenken. Er liebte sie, weil sie seinem Vater gehört hatten, doch er dachte gar nicht daran, sie als Waffen zu gebrauchen.
    Aber wenn er es nicht gewesen war, wer hatte dann diese Pistole geladen?
    Die Antwort drängte sich förmlich auf. Annie, die die Kugeln zielstrebig und geduldig eine nach der anderen ausprobiert hatte, bis sie die fand, die haargenau in den Lauf passte. Dann hatte sie das Pulver eingefüllt. Alles war bereit.
    Besessen von meinem Streben nach Rache, hatte ich niemals ihren Hass auf mich in Betracht gezogen. Dabei hatte sie daran gedacht, mich zu töten, man lädt eine Pistole nicht zum bloßen Zeitvertreib. Was hatte sie davon abgehalten? War ich dem Schlimmsten gerade noch entgangen, oder hatte ihr der Mut zum Töten ebenso gefehlt wie mir?
    Ein Mord entsteht aus dem Zusammentreffen von Umständen und Veranlagung, wir beide hatten die Umstände, nicht aber die Veranlagung. Tausendmal hatte auch ich
daran gedacht, sie zu töten,

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