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Das Geheime Vermächtnis

Das Geheime Vermächtnis

Titel: Das Geheime Vermächtnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine Webb
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richtig ansehen durften? Aber er wollte einfach nicht heilen, also haben wir ihn schließlich doch untersucht, und du hattest einen Metallsplitter darin.«
    »Ja, das weiß ich noch. Mein Finger hat ausgesehen, als würde er gleich platzen.« Er verzieht das Gesicht.
    »Als wir den Splitter gezogen hatten, ist der Finger geheilt, richtig?« Eddie nickt. »Also, ich glaube, deine Mum kann nicht … gesund werden, weil sie einen Splitter hat. Nicht aus Metall und nicht im Finger, aber sie trägt eine andere Art Splitter in sich, und deswegen kann es ihr gar nicht besser gehen. Ich will … herausfinden, was es ist, und dann ziehe ich ihn raus.« Ich hoffe, dass ich mich ruhig und zuversichtlich anhöre, obwohl ich in Wahrheit verzweifelt bin. Wenn ich an Gott glauben könnte, würde ich ihm jetzt inbrünstig eine Menge Tauschgeschäfte anbieten. Mach Beth gesund. Mach, dass sie wieder glücklich wird.
    »Wie denn? Warum müsst ihr dazu hier sein?«
    »Weil ich glaube, dass sie sich den Splitter hier eingezogen hat«, antworte ich.
    Eddie denkt eine Weile schweigend darüber nach, und ich finde es schrecklich, wie sich dabei Sorgenfalten in sein junges Gesicht graben. »Ich hoffe, du schaffst es. Ich hoffe, du findest heraus, was es ist«, sagte er schließlich. »Das schaffst du doch, oder? Und dann geht es ihr besser?«
    »Das verspreche ich dir, Ed«, sage ich. Und jetzt darf ich nicht versagen. Ich darf einfach nicht zulassen, dass wir ohne irgendeine Art Klärung wieder von hier abreisen. Die Last meines Versprechens hängt auf einmal an mir wie schwere Ketten.
    Unsere Eltern fahren bald nach dem Mittagessen, und am Nachmittag kommt Maxwell, um auch Eddie abzuholen. Maxwell sieht mürrisch aus, seine Wangen sind fleckig gerö tet. Er wirkt unaufrichtig. Ich lade Tragetaschen voller Weihnachtsgeschenke in den Kofferraum, während Beth mich mit finsterem Blick beobachtet, als wäre ich eine Komplizin, die den Raub ihres Sohnes unterstützt.
    »Bis dann, Edderino«, sage ich.
    »Bis dann, Tante Rick«, entgegnet er und klettert auf den Rücksitz, sitzt dort still, resigniert. Er wird von einem Willkommen zum nächsten geschickt, aber er ist zum Glück auch pragmatisch und regt sich nicht auf. Er lässt sich hin und her fahren und tut so, als würde er Beths Kummer nicht bemerken. Darin liegt ein Hauch von Grausamkeit, als wollte er damit sagen: Du hast diese Situation schließlich geschaffen, du hast das so gewollt.
    »Hast du Harry gesagt, dass du heute wegfährst?«, frage ich und beuge mich ins Auto.
    »Ja, aber vielleicht müsst ihr es ihm noch einmal sagen, wenn ihr ihn irgendwo seht. Ich weiß nicht, ob er wirklich zugehört hat.«
    »Okay. Ruf deine Mum nachher mal an, ja?«, bitte ich mit gedämpfter Stimme.
    »Klar«, murmelt er und blickt auf seine Hände hinab.
    Die Bremslichter des Wagens leuchten rot auf, als sie aus der Einfahrt abbiegen. Es regnet schon wieder. Beth und ich stehen da und winken wie die Verrückten, bis das Auto außer Sicht ist. Dann fallen unsere Hände beinahe gleichzeitig herab. Keine von uns will sich wieder dem Haus zuwenden, jetzt, da dieses Ereignis vorbei ist. Weihnachten. Das Haus schmücken, Eddie bekochen und unterhalten, und unsere Eltern. Was jetzt? Keine Frist, kein Terminplan. Nichts, was uns leiten könnte, außer uns selbst. Ich werfe Beth einen Blick zu und sehe winzige Wassertropfen wie Perlen an einzelnen losen Haaren um ihr Gesicht hängen. Ich kann sie nicht einmal fragen, was sie essen möchte – nicht einmal dieses winzige Stückchen Zukunft kann ich uns jetzt aufbürden. Das Haus platzt schier vor Resten, die darauf warten, vertilgt zu werden.
    »Eddie ist so ein tolles Kind, Beth. Da hast du echt etwas geleistet«, sage ich, um das Schweigen zu brechen. Doch da ist etwas Kaltes, Trauriges in Beths Blick.
    »Ich weiß nicht recht, wie viel davon wirklich von mir kommt«, erwidert sie.
    »Die allerbesten Teile.« Ich nehme ihre Hand und drücke sie. Beth schüttelt den Kopf. Zusammen gehen wir wieder nach drinnen.
    Wenn sie so ruhig ist, so blass und still wie eine Statue, sehe ich sie immer im Krankenhaus vor mir. Wenigstens habe ich sie nicht gefunden. Ich habe nur Eddies Schilderungen, die Bilder in meinem Kopf erzeugen. Sie war in ihrem Schlafzimmer und lag auf der Seite, die Beine angewinkelt, als hätte sie gesessen und wäre dann umgekippt. Er konnte ihr Gesicht nicht sehen, hat er mir erzählt. Ihr Haar hatte es ganz bedeckt. Er erinnerte sich nicht

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