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Das Geheime Vermächtnis

Das Geheime Vermächtnis

Titel: Das Geheime Vermächtnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine Webb
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antwortete Caroline tonlos. Er verlor kein Wort mehr über das Thema, da es ihn kaum betraf. Ja, er weilte immer seltener zu Hause und verbrachte kaum genug Zeit mit seiner Frau, um ein zweites Kind zu zeugen – die Schwangerschaft ließ lange auf sich warten. Caroline fürchtete, dass sich nichts je wieder so himmlisch anfühlen würde, wie Evangeline zum ersten Mal im Arm zu halten. Doch die Veränderung ihres Körpers brachte eine Vorfreude auf diese Liebe mit sich, die unwiderstehlich war, und sie gab sich ihr hin, wandte sich ganz nach innen, summte dem ungeborenen Baby etwas vor, spürte es unter ihren Rippen liegen, ein Kern aus Wärme und Leben in der toten Hülle ihrer selbst. Doch der Junge wurde Monate zu früh geboren und hatte keine Chance, zu überleben. Der Arzt war dafür, ihn sogleich mit den blutigen Laken zu entfernen, doch Caroline verlangte, ihr Kind zu sehen. Sie betrachtete das winzige, kaum geformte Gesicht voller Staunen – darüber, dass sie immer noch Trauer empfinden konnte, dass ihre Augen noch Tränen zu vergießen hatten. Doch der letzte Rest der Liebe, die sie besaß, floss in diesen einen Blick, mit dem sie das Gesicht ihres toten Babys betrachtete. Den allerletzten Hauch Wärme in ihrem Inneren verschenkte sie an ihn, und dann brachte der Arzt ihn tatsächlich mitsamt den blutigen Laken fort, und alles war verloren.
    Caroline erholte sich nur langsam und nie mehr vollständig. Als sie so weit genesen war, dass sie Besuch von Freundinnen und von Bathilda empfangen konnte, fanden diese sie blass und dumpf vor. Sie sprach so gut wie kein Wort, ihre Bewegungen waren schwerfällig, ihre Schönheit stark verblasst. Sie hatte hohle Augen und Wangen, ihre Hände waren so knochig wie Vogelklauen, und an ihren Schläfen zeigte sich trotz ihrer Jugend bereits das erste Grau. Sie wirkte geradezu geisterhaft, als hätte ein Teil von ihr diese Welt verlassen. Die Leute schüttelten traurig den Kopf und überlegten es sich zweimal, ehe sie die Calcotts auf eine Einladungsliste setzten. Sich selbst überlassen, ging Caroline viel spazieren. Immer rund um den Garten, als suchte sie etwas. Eines Tages ging sie durch den Wald zu der Lichtung, auf der die Dinsdales noch immer lagerten. Sie hatten gelernt, einen weiten Bogen um das Haus zu machen, und gingen nie wieder dorthin, um ihre Arbeit gegen Essen zu tauschen. Daher hatte Caroline keinen Vorwand, sie von dort entfernen zu lassen, und dass ihr dringendster Wunsch derart vereitelt wurde, machte sie nur noch verbitterter.
    Sie wartete unter den Bäumen und starrte den bunt bemalten Wagen und das gescheckte Pony an, das in der Nähe angebunden war. Ihr Heim auf Rädern sah so munter aus, wie es da auf der grünen Sommerwiese stand – so praktisch, so gesund. Caroline erinnerte es an White Clouds Tipi, und wie bei jedem Gedanken an die Ranch verschwamm ihr alles vor Augen, und ihr Geist verschloss sich vor Jammer. Just in diesem Augenblick kehrten die Dinsdales aus dem Dorf zurück. Mrs. Dinsdale, deren blondes Haar in engelhaften Löckchen bis über den Rücken fiel, trug ein Baby auf dem Arm, und an Mr. Dinsdales Hand hielt sich ein kräftiger kleiner Junge von etwa drei Jahren fest, dunkelhäutig und rundlich. Er ging mit sicheren Schritten, und doch kamen sie nur langsam voran, denn der Junge musste sich alle paar Meter hinhocken und mit unstillbarer Neugier etwas auf dem Boden untersuchen. Caroline stockte der Atem. William ähnelte Magpie so sehr, dass sie es kaum ertrug, ihn anzusehen.
    Dennoch beobachtete sie die Familie noch eine Weile. Mrs. Dinsdale legte ihr Baby im Wagen schlafen, setzte sich dann auf die Stufen davor und rief nach William, der ange laufen kam und die Arme ausstreckte, damit sie ihn hochhob. Natürlich nannte sie ihn nicht William. Sie benutzte irgendeinen anderen Namen, den Caroline nicht ganz verstand, doch es hörte sich an wie Flag . Als Caroline die beiden beobachtete, wurde sie so von Kummer und Neid zerrissen, dass sie nicht wusste, wie sie noch an sich halten sollte. Doch sie war auch furchtbar wütend darüber, dass diese Familie von Landstreichern glücklich gedieh, während ihr selbst dieses Glück gleich zweimal entrissen worden war. Sie starrte William an und hasste ihn plötzlich. Sie hasste sie alle. Schluss , dachte sie. Mehr ertrage ich nicht. Der Preis, den sie hatte bezahlen müssen, war viel zu hoch. Und obgleich ein Teil von ihr fand, dass dieses Unrecht irgendwie beseitigt werden müsse, wusste sie

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