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Das Geheime Vermächtnis

Das Geheime Vermächtnis

Titel: Das Geheime Vermächtnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine Webb
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Gesicht nicht sehen, weil Dinny im Weg steht. Ich sehe nur, wie ihre Hände sich zum Mund heben und dann davonflattern, in der Luft treiben wie schwerelos. Ich beuge mich vor und recke den Hals, um sie zu sehen. Ich lausche angestrengt, höre aber nur Slade aus dem Radio hinter der Ladentheke plärren. Dinny stützt den nackten Arm auf das Autodach, und ich spüre den Schmerz des kalten Metalls auf meiner eigenen Haut.
    »Rick – wir sind dran«, sagt Eddie und stupst mich mit dem Ellbogen an. Ich wuchte den Korb auf die Theke und bin gezwungen, meine Observation abzubrechen und den trübselig dreinblickenden Mann an der Kasse anzulächeln. Ich bezahle die Cola, ein Twix und etwas Schinken fürs Mittagessen und eile dann hinaus zum Auto.
    »Und was machst du jetzt? Du wolltest Konzertflötistin werden, wenn ich mich recht erinnere?«, sagt Dinny gerade. Er richtet sich auf und verschränkt die Arme. Auf einmal wirkt er ein wenig abwehrend, und mir fällt auf, dass Beth nicht ausgestiegen ist, um mit ihm zu reden. Sie sieht ihn kaum an, sondern spielt mit den Enden ihres Schals auf dem Schoß.
    »Ach, daraus ist nichts geworden«, antwortet sie mit einem dünnen Lachen. »Ich habe bis zur siebten Klasse gespielt, und dann …« Sie hält inne, wendet wieder den Blick ab. In die siebte Klasse kam sie in dem Frühjahr, ehe Henry verschwand. »Dann habe ich nicht mehr so viel geübt«, beendet sie tonlos den Satz. »Ich übersetze jetzt. Vor allem aus dem Französischen und Italienischen.«
    »Oh«, sagt Dinny. Er betrachtet sie, und das Gespräch gerät ins Stocken, also platze ich hinein.
    »Ich habe schon genug Mühe mit Englisch – Teenager zu unterrichten ist, als wolle man mit einer Gabel Wasser bergauf schaufeln. Aber Beth war schon immer sehr sprachbegabt.«
    »Man muss nur zuhören, weiter nichts, Rick«, sagt Beth zu mir, und das ist eindeutig ein Tadel.
    »War noch nie meine Stärke«, stimme ich grinsend zu. »Wir kommen gerade aus Avebury. Ed wollte es gern sehen, weil sie es gerade in der Schule durchnehmen. Aber als wir dann da waren, hat dich der Karamell-Eisbecher im Pub mehr interessiert, nicht wahr, Ed?«
    »Der war fantastisch«, versichert Eddie. Dinny lächelt mich fragend an, doch als Beth ihm keine Fragen stellt, erlischt das Lächeln, und er tritt vom Auto zurück.
    »Und, wie lange bleibt ihr?«, fragt er, an mich gewandt, da Beth nur geradeaus starrt.
    »Auf jeden Fall über Weihnachten. Danach wissen wir noch nicht genau. Da ist so viel, was noch geklärt und sortiert werden muss«, sage ich. Was ehrlich und gleichzeitig vage genug ist. »Was ist mit dir?«
    »Vorerst bleibe ich«, sagt Dinny achselzuckend, noch vager.
    »Aha.« Ich lächle.
    »Also, ich muss weiter. War schön, dich wiederzusehen, Beth. Hat mich gefreut, dich kennenzulernen, Ed«, sagt er, nickt uns zu und geht davon.
    »Er hat gar keine Chips gekauft«, bemerkt Eddie.
    »Nein. Die hat er wohl vergessen«, stimme ich atemlos zu. »Ich hole welche und bringe sie nachher vorbei.«
    »Cool.« Eddie nickt. Er zieht mit einer Hand die hintere Tür auf und nestelt mit der anderen schon an der Twix-Verpackung herum. So ungerührt. Er hat keine Ahnung, was für eine gewaltige Sache gerade passiert ist, hier an diesem Auto fenster. Ich gehe zurück in den Laden, kaufe Chips, und während ich wieder einsteige, den Motor anlasse und uns nach Hause fahre, sehe ich Beth nicht an. Ich fühle mich zu unbehaglich, und die Fragen, die ich an sie habe, will ich ihr vor ihrem Sohn nicht stellen.
    Eddie liegt im Schlafanzug auf dem Bett, mit seinem iPod verkabelt. Auf dem Bauch, die Beine über dem Rücken baumelnd, liest er ein Buch mit dem Titel Sasquatch! , und wegen der Musik kann er die Eulen nicht hören, die einander draußen zwischen den Bäumen zurufen. Ich lasse ihn in Ruhe. Unten kocht Beth Pfefferminztee. Sie hält eine Ecke des Teebeutels zwischen den Fingerspitzen und taucht ihn immer wieder ins Wasser.
    »Ich hoffe, Dinny hat dich nicht erschreckt, als er so plötzlich neben dem Auto stand?«, bemerke ich so leichthin, wie ich kann. Beth wirft mir einen Blick zu und presst die Lippen zusammen.
    »Ich habe ihn in den Laden gehen sehen«, entgegnet sie und tunkt weiter den Teebeutel ein.
    »Tatsächlich? Und du hast ihn gleich erkannt?«
    »Sei doch nicht albern – er sieht noch genauso aus wie früher«, sagt sie. Ich komme mir dumm vor – weil sie etwas gesehen hat, und ich nicht.
    »Tja«, sage ich. »Schon verrückt, ihn

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