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Das Geheime Vermächtnis

Das Geheime Vermächtnis

Titel: Das Geheime Vermächtnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine Webb
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Mittag aß. Die besten Fotos von ihrem Hochzeitstag stehen auf dem Flügel im Musikzimmer in schweren silbernen Rahmen, doch auf diesem kleinen Bild steht Meredith seltsam da – sie verdreht sich, um über die Schulter zurückzublicken, weg von Charles, als wäre ihr Rocksaum irgendwo hängen geblieben. Sie kommen gerade aus der Kirche und treten aus der Dunkelheit ins Licht. Merediths Gesicht im Profil ist jung und beklemmend ängstlich. Ihr Haar ist sehr hell, die Augen wirken riesig. Wie konnte ein so bezauberndes Mädchen, eine so nervöse junge Braut, jemals zu Meredith werden? Die Meredith, die ich in Erinnerung habe, war kalt und hart wie die Marmorplatten der Regale in der Speisekammer.
    Ein weiteres Foto fesselt mich. Es ist sehr alt und an den Rändern verknickt. Das Gesicht taucht zwischen Stockflecken und abgegriffenen Stellen auf. Eine junge Frau, vielleicht Anfang zwanzig, in einem Kleid mit hohem Kragen, mit streng festgestecktem Haar. Auf ihrem Schoß sitzt ein Kind, höchstens ein halbes Jahr alt, in einem Spitzenkleidchen. Das Baby hat dunkles Haar, und sein Gesicht ist leicht verwischt, geisterhaft, als hätte es gezappelt, als die Aufnahme gemacht wurde. Die Frau ist Caroline. Ich erkenne sie von den anderen Fotos im Haus, obwohl sie auf keinem so jung aussieht wie auf diesem. Ich drehe es um und lese den verblassten Stempel auf der Rückseite: Gilbert Beaufort & Son, New York City , und darunter handgeschrieben mit Tinte, die kaum noch zu sehen ist: 1904 .
    Aber Caroline hat Henry Calcott, meinen Urgroßvater, erst 1905 geheiratet. Mary hat sich vor ein paar Jahren sehr für Genealogie begeistert. Sie hat den Stammbaum der Familie Calcott aufgezeichnet – sie ist so stolz darauf, in diese Linie eingeheiratet zu haben – und uns allen zusammen mit ihrer Weihnachtskarte eine Kopie davon geschickt. Caroline und Henry haben 1905 geheiratet und eine Tochter verloren, ehe Meredith 1911 zur Welt kam. Stirnrunzelnd drehe ich das Foto zum Licht und versuche, mehr Hinweise darin zu finden. Caroline starrt mir ruhig entgegen, die Hand schützend um ihr Baby gelegt. Was ist aus diesem Kind geworden? Wie ist es aus unserem Stammbaum herausgefallen? Ich stecke das Foto in die hintere Hosentasche und mache mich über den Schmuck her, ohne ihn richtig wahrzunehmen. Eine Broschennadel pikst mich in die Fingerspitze, und ich sitze eine Weile mit dem Finger im Mund da und schmecke mein Blut.
    Nach dem Abendessen flieht Eddie vom Tisch, um fernzusehen. Beth und ich bleiben vor den schmutzigen Tellern und Schüsseln sitzen. Sie hat ein bisschen was gegessen. Nicht genug, aber immerhin. Wenn sie weiß, dass Eddie sie beobachtet, gibt sie sich mehr Mühe. Ich stibitze eine letzte Kartoffel aus der Schüssel, und als ich mich zurücklehne, spüre ich etwas Steifes in der hinteren Hosentasche.
    »Was ist das?«, fragt Beth, als ich das Foto unserer Urgroßmutter hervorhole. Sie hat kaum mit mir gesprochen, seit ich sie nach Henry gefragt habe, und jetzt klingt ihre Stimme ein bisschen steif. Aber ich erkenne einen Ölzweig, wenn ich einen sehe.
    »Ich habe es oben in Merediths Zimmer gefunden – das ist Caroline«, sage ich und reiche ihr das Bild.
    Beth betrachtet das junge Gesicht, die blassen Augen. »Du meine Güte, ja, das ist sie. Ich erinnere mich an diese Augen – sogar als sie steinalt war, hatten sie noch dieses silbrige Strahlen. Kannst du dich auch an sie erinnern?«
    »Nein, nicht so richtig.«
    »Na ja, du warst noch ziemlich klein.«
    »Ich hatte solche Angst vor ihr! Sie kam mir kaum vor wie ein Mensch.«
    »Tatsächlich? Aber sie hat uns nie etwas getan. Sie hat uns kaum beachtet.«
    »Ich weiß. Sie war nur so … alt !«, erkläre ich, und Beth kichert.
    »Das war sie. Aus einem anderen Zeitalter, wirklich und wahrhaftig.«
    »Was weißt du sonst noch über sie?«, frage ich. Beth lehnt sich auf dem Stuhl zurück und schiebt ihren Teller von sich. Die Hälfte ihres Stücks Quiche liegt noch unberührt darauf.
    »Ich erinnere mich an diesen Gesichtsausdruck, den Meredith immer hatte, wenn sie Caroline füttern oder anziehen musste. Das war so ein sorgfältig neutraler Ausdruck. Ich weiß noch, dass ich dachte, sie müsse schreckliche Gedanken haben, ganz schreckliche Gedanken, wenn sie so sehr aufpasst, dass man sie ihr nicht ansieht.«
    »Aber was ist mit Caroline? Kannst du dich an irgendetwas erinnern, was sie gesagt oder getan hat?«
    »Lass mich mal überlegen. Ich weiß noch, dass sie beim

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