Das Geheime Vermächtnis
brennt.
»Schön, dass ihr auch gekommen seid, Beth, Erica«, sagt er, und als er wieder lächelt, nehme ich die schwache Verschwommenheit von Alkohol an seinem Gesichtsausdruck wahr – eine echte Herzlichkeit, zum ersten Mal, seit ich ihn wiedergesehen habe.
»Ja, und, na ja, danke für die Einladung«, entgegnet Beth, lässt den Blick über die Party schweifen und nickt, als wären wir bei irgendeinem gesellschaftlichen Anlass.
»Ihr habt heute Abend wirklich Glück mit dem Wetter. Es war scheußlich die letzten Tage«, bemerke ich. Dinny wirft mir einen amüsierten Blick zu.
»Ich glaube nicht an schlechtes Wetter – das ist alles einfach nur Wetter.«
»Kein schlechtes Wetter, nur die falsche Kleidung?«
»Genau! Habt ihr schon meinen Punsch probiert? Der hat’s in sich. Kommt bloß nicht in die Nähe von offenem Feuer.«
»Von Punsch halte ich mich lieber fern«, sage ich. »Es gab da mal einen Vorfall mit Punsch, hat man mir erzählt. Aber vielleicht haben sie auch gelogen, denn ich kann mich beim besten Willen an nichts mehr erinnern.«
»Und was ist mit dir, Beth? Kann ich dich in Versuchung führen?« Beth nickt und lässt sich von ihm wegbringen. Sie wirkt immer noch ein bisschen verwirrt, beinahe verwundert, sich hier wiederzufinden. Dinny hält sie am Ellbogen und geleitet sie durchs Lager. Einen Moment lang stehe ich ganz allein da, während er sie mit sich zieht, und ein seltsames Gefühl krabbelt durch meine Brust. Das vertraute alte Gefühl, von Beth und Dinny zurückgelassen zu werden. Ich schüttele mich, suche nach Gesichtern, die ich kenne, und dränge mich ihnen auf.
Ich spüre die Hitze des Whiskys in meinem Blut und weiß, dass ich jetzt vorsichtig sein sollte. Eddie rennt an mir vorbei, packt mich am Ärmel und dreht mich herum. »Du hast mich nicht gesehen! Sag ihnen nicht, dass du mich gesehen hast!«, keucht er grinsend.
»Wem denn?«, frage ich, aber er ist schon wieder weg, und Sekunden später flitzen ein Knäuel Kinder und Harry hinter ihm her. Ich nehme noch einen kräftigen Schluck Whisky und reiche die Flasche dann einem Mädchen mit Elfengesicht und Ringen in der Nase, das lacht und dankend ablehnt. Die Sterne ziehen über meinem Kopf dahin, und der Boden scheint zu vibrieren. Ich kann mich nicht erinnern, wann ich das letzte Mal betrunken war. Das muss viele Mo nate her sein. Ich hatte ganz vergessen, wie gut sich das anfühlen kann. Und ich sehe Beth neben Dinny stehen, bei einem Grüppchen Leute. Sie spricht zwar kein Wort, sieht aber beinahe entspannt aus. Sie ist ein Teil der Runde, nicht in sich selbst verschlossen, und ich freue mich, das zu sehen. Ich tanze mit Smurf, der mich herumwirbelt, bis mir ein bisschen schlecht wird.
»Verlieb dich bloß nicht in sie, Smurf. Diese Calcott-Mädchen bleiben nie lange«, ruft Dinny ihm zu, als wir an ihm vorbeitanzen. Ich bin zu langsam, um ihn zu fragen, was er damit meint. Dann rücke ich so nah ans Feuer, wie ich mich traue, harke mit einem Schüreisen eine Folienkartoffel aus der Asche am Rand und verbrenne mir die Zunge daran. Sie schmeckt kräftig, nach Erde. Ich begrüße Honey, und es ist mir egal, dass ihre Erwiderung gekünstelt klingt. Und ich beobachte Dinny. Nach einer Weile ist mir nicht einmal mehr bewusst, dass ich das tue. Wo ich auch bin, irgendwie weiß ich immer, wo er gerade ist. Als würde das Feuer ihn ein wenig heller beleuchten als alle anderen. Die Nacht spinnt sich um das Lager, dunkel und lebendig. Dann sehe ich blitzendes Blaulicht über den Feldweg auf uns zukommen.
Die Polizei muss oben parken und zu Fuß zum Lager weitergehen. Zwei Fahrzeuge spucken vier Polizisten aus. Sie marschieren voller Eifer ein und fangen an, nach Drogen zu suchen und Leute zu bitten, ihre Taschen auszuleeren. Die Musik wird ausgeschaltet, Gespräche verstummen. Es entsteht eine angespannte Stille, in der das Feuer knackt und faucht.
»Gibt es hier einen Dinsdale?«, fragt ein junger Beamter mit einem kampfeslustigen Glanz in den Augen. Er ist klein und stämmig und pieksauber.
»Mehrere!«, ruft Patrick ihm zu.
»Könnte ich bitte die entsprechenden Ausweispapiere sehen?«, fragt der Polizist steif. Dinny bedeutet Patrick, sich zurückzuhalten, verschwindet kurz in seinem Transporter und bringt dem Polizisten seinen Führerschein. »Tja, trotzdem muss ich Sie alle bitten, das Gelände zu verlassen. Dies ist eine nicht genehmigte Versammlung an einem öffentlichen Ort. Ich habe Grund zu der Annahme, dass die
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