Das Geheimnis am goldenen Fluß
hatte. Bei dem Gedanken zog sich seine Brust zusammen. Es erschreckte ihn, sich jemandem wieder so zu öffnen. Es war gefährlich. Was wird aus ihnen werden, wenn sie sich zu sehr auf mich einlassen?
Tree stürmte in den Raum, und Mason schaute auf. Ihre Wangen waren tränenüberströmt. Sie warf sich aufs Bett und weinte leise ins Kissen.
Sofort fühlte Mason sich schlecht. Hier haben wir es, der nächste Streit. Sollte er etwas sagen? Zu ihr gehen? Oder sie einfach in Ruhe lassen?
Er stand auf und ging zum Bett, setzte sich auf den Rand und begann, ihren schlanken Rücken zu reiben. Tree sagte etwas ins Kissen.
»Ich kann dich nicht verstehen«, sagte er.
Sie wandte ihm halb das Gesicht zu. »Ich sagte, uns bleibt nur noch ein Monat. Wenn ich dann nicht schwanger bin …«
»Tree, das haben wir alles schon durchgekaut. Was möchtest du, dass ich tue?«
Sie schnaufte. »Was ich möchte? Dass du so mit mir schläfst wie als du dachtest, ich wäre K’un-Chien. Schlaf wieder mit mir. Jeden Tag, jede Nacht, bis ich schwanger bin.«
»Baby, so sehr ich es mir wünsche, ich kann es nicht. Wir beide wissen, was geschieht. Wie oft haben wir es jetzt versucht? Ich kann es schon nicht mehr zählen.«
»Es kann nicht schaden, es weiter zu versuchen.«
»Doch. Es schadet uns, und das weißt du. Hinterher fühlen wir uns immer schlecht.«
Ihr funkelnder Blick wurde weicher, und sie sah fort. »Das stimmt«, sagte sie.
»Schau«, sagte Mason sanft, »wir finden es nicht schön, aber wir wissen beide ganz genau, was du tun musst. Geh zu Domino.«
Sie warf ihm wieder einen funkelnden Blick zu. »Na klar, ›wir‹ müssen mit dem Schwein ja nicht schlafen.« Sie fing wieder an zu weinen. »Ich kann nicht glauben, dass du das gerade gesagt hast«, stammelte sie. »Du, mein Ritter. Weißt du überhaupt, wie das für mich wäre? Eine einzige Demütigung.«
»Die Samurai glauben, der Tod sei einer Demütigung vorzuziehen, aber ich wusste nicht, dass du ihre Meinung teilst.«
»Herrgott noch mal, Mason, ich will kein Baby von ihm – ich will eins von dir.«
Hilflos hob er die Hände.
»Versuch es noch mal mit den Liebessamen«, sagte sie.
»Das war ein Albtraum. Hab ich dir doch erzählt. Sie haben alle Gefühle in mir verstärkt, die allerschlimmsten mitinbegriffen. Ich hatte einen Panikanfall und glaubte, ich wäre wieder in Vietnam. Ist verdammt schwer, mit jemandem zu schlafen, wenn man solche Angst hat, dass man kaum Luft bekommt.«
»Der gottverdammte Krieg ist vorbei, Mason. Was muss geschehen, dass du endlich zu mir zurückkommst? Du wanderst noch immer da drüben im Dschungel herum, völlig verloren.«
Mason stand auf, verärgert. »Du weißt nicht, wie es war. Du hast am Harvard Square rumgehangen, Gitarre gespielt, Yoga gemacht und Sojasprossen gemampft. Ich war drüben und drückte einem Typen einen Daumen in seine offene Herzwunde, damit das Leben nicht aus ihm rausspritzt. Solche Sachen vergisst man nicht einfach und schaut sich mit ‘ner kalten Cola in der Hand ‘ne Fernsehserie an. So was verfolgt einen. Es macht einen fertig.«
Tree setzte sich auf und nahm Masons Hand. »Entschuldige, Baby, es tut mir Leid. Komm, lass uns nicht streiten. Leg dich zu mir. Lass mich dich halten. Halt mich.«
Mason lächelte grimmig. »Du meinst, nach dem Motto: ›Macht Liebe statt Krieg‹? Ich wünschte, ich hätte diese Option gewählt, als ich ein junger Draufgänger war. Ich hätte wie Mack und John nach Vancouver gehen sollen. Aber nein, ich musste ja dorthin, wo Gib hin wollte. Mein Gott. Dann schickte ich ihn an einen Ort, an den ich ihm nicht folgen kann.«
Tree runzelte die Stirn, schnaufend. »Wie meinst du das?«
»Vergiss es.« Mason wandte sich um.
Tree ergriff seinen Arm und stand auf. »Was meinst du damit, du hättest Gib an einen Ort geschickt, an den du ihm nicht folgen kannst?«
Mason ballte die Fäuste. »Sei still.« Er schüttelte den Kopf.
»Das ist das Geheimnis, stimmt’s? Das ist dein Geheimnis.«
»Nicht, Tree, bitte. Du willst es nicht hören.«
»Mason, erzähl es mir. Ich muss es wissen. Es frisst dich auf.«
»Ich bitte dich – lass es dabei bewenden.«
»Was ist Gib zugestoßen? Du warst dort. Wie ist er gestorben?«
»Verdammt noch mal, Tree, warum tust du das?«
»Erzähl es mir, damit du mir nichts mehr verheimlichen musst. Dann kannst du deinen Schutzschild fortwerfen. Kein schreckliches Geheimnis mehr. Ich werde die Wahrheit kennen, und du kannst wieder offen
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