Das Geheimnis am goldenen Fluß
sich wie ein Brennen anfühlen, ein Zerschmelzen. Aber es schmerzt nur für ein paar Atemzüge. Entspanne dich und fall einfach hinein. Lass das Zerfließen geschehen.«
Er holte tief Luft. »Ich bin bereit.«
K’un-Chien rieb seine Haut mit dem chromgelben Schleim ein. Innerhalb weniger Sekunden schmeckte Mason den feuchten, erdigen Pilzgeschmack auf der Zunge. K’un-Chien hob seinen Kopf, legte ihn in ihren Schoß und begann, mit den Fingerspitzen seine Schläfen zu massieren. Mason schloss die Augen, während sein Kopf immer leichter wurde und sein Körper scheinbar über dem Futon zu schweben begann.
Sein Kopf ruckte, als im Zentrum seines Hirns Flammen aufloderten. Die Hitze war körperlich spürbar.
»Entspanne dich jetzt«, sagte K’un-Chien leise. »Es wird beginnen, deine Gedanken zu schmelzen. Erlaube den Flammen, alle deine Grenzen niederzubrennen.«
Von Rot zu Orange zu Gelb und Blau gewann das Feuer immer mehr an Intensität. Eine an den Rändern glitzernde Blüte aus blau schillerndem Licht breitete sich aus, dann zersprang sie zu einer komplexen geometrischen Symmetrie, wie ein himmelwärts in ein Feuerwerk gerichtetes Kaleidoskop. Mason hatte das eigenartige Gefühl, nicht in einem Körper zu sein, sondern vielmehr, dass sich sein Körper im Inneren seines erweiterten Bewusstseins befand.
Dann, plötzlich, konnte er seinen Körper nicht mehr finden. Die Erlösung aus der Gespanntheit seiner physischen Gestalt war, wie wenn man einen zu engen Stiefel vom Fuß reißt – seine Seele machte einen Satz und schnellte empor, und sein Verstand wurde vollends von gleißender Helligkeit überstrahlt.
Als Nächstes kam das Gefühl, nach innen zu fliegen, mit atemberaubender Geschwindigkeit, auf einen weit entfernten Punkt im Innern zuzurasen. Dann, urplötzlich, ein völlig klares Bild:
Dunkelheit – mondlos – Nacht – Regen – Dschungel. Masons Verbandskasten rieb über die Wundblase an seinem rechten Schulterblatt. Er blieb in der Mitte des Pfades stehen, der durch eine Gummiplantage der früheren französischen Kolonie führte. Streifte den Tornister ab. Versuchte zum dritten Mal, die wunde Stelle mit einem zusammengelegten T-Shirt abzudecken. Gib, der Führer des Zugs, kam zurück, um zu schauen, wie es ihm ging. Als Gib sich bückte, um Mason beim Umschnallen des Tornisters zu helfen, erstrahlte die Schwärze in hellem Tageslicht, als hätte jemand einen Lichtschalter an einem nahen Gummibaum umgelegt. Eine teuflische Druckwelle schlug Mason ins Gesicht, und er stürzte mit versengten Augenbrauen rückwärts in den Schlamm. In seiner Nähe versuchte ein Mann zu schreien; es klang wie Gurgeln.
Mason kam auf die Beine und wurde sofort wieder umgeworfen, dieses Mal von einem unsichtbaren Hammer, der gegen seine linke Schulter schlug und ihn eine halbe Drehung herumwirbelte, so dass er jetzt bäuchlings in den Dreck fiel. Es dauerte einige Sekunden, bis ihm bewusst wurde, dass er, wie mehrere andere Männer seines Zugs, von einer Gewehrkugel getroffen worden war. Sie waren in einen Hinterhalt des Vietcong geraten. Als Sanitäter war Mason unbewaffnet.
Das feindliche Gewehrfeuer wurde schwächer, als Mason erneut aufsprang und gerade noch rechtzeitig sah, wie eine dunkle Gestalt aus dem Wald auf ihn zustürmte und aus einem automatischen Gewehr sternenförmige Feuerstöße auf ihn abgab. Mason warf sich zu Boden und beobachtete, wie der Kopf seines Angreifers in einer dunklen, feuchten Blutwolke verschwand. Plötzlich tauchte Gib neben Mason auf, Garbe um Garbe auf die zwischen den Bäumen umherhuschenden Gestalten feuernd. Patronenhülsen, Holzsplitter und Schlammklumpen flogen in alle Richtungen. Die schwarze Nacht war eine feste Masse ohrenbetäubenden Lärms.
»Mace! Nimm Bobbys Gewehr!«, brüllte Gib durch das Chaos. »Mach schon!«
»Ich bin Sanitäter!«, brüllte Mason.
»Nimm das verdammte Gewehr. Das ist ein Befehl. Ich brauche Feuerkraft, jetzt – sonst wird keiner übrig bleiben, den du verarzten kannst.«
Mason rollte sich durch den Schlamm und kroch auf Bobby Smith zu; der Mann gurgelte noch immer mit seinem Blut. Mason versuchte, ihm die M-16 abzunehmen, doch in seinem Todeskrampf wollte Bobby die Waffe nicht loslassen. Mason bog die Finger auf und riss ihm das Gewehr aus den Händen, gerade als das Gurgeln aufhörte.
Mason sprang mit der M-16 im Anschlag auf, nicht sicher, wie man damit umging. Als Kriegsdienstverweigerer hatte er keine Waffenausbildung erhalten.
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