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Das Geheimnis am goldenen Fluß

Titel: Das Geheimnis am goldenen Fluß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Canter Mark
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angestellt hatte, weil er zum Sanitäter ausgebildet worden war, nicht zum Kämpfer. Er hatte Gib erschossen. Aber was geschehen war, hatte mit Krieg zu tun – nicht mit ihm selbst –, und er war nicht verpflichtet, es persönlich zu nehmen. Im Krieg starben junge Männer auf zahllose tragische Arten – einige wurden sogar von ihren besten Freunden getötet.
    Zum ersten Mal empfand Mason tiefes Mitgefühl für sich selbst. Wem sollte Gnade widerfahren, wenn nicht denen, deren Herzen gebrochen waren?
    Abrupt kehrte er in seinen verwundeten, schlammbespritzten Körper zurück. Schluchzend drückte er Gibs Stirn an seine und gab seinem Bruder einen letzten Kuss, dann richtete er das Gesicht zum mondlosen Himmel und rief Gibs Namen.
    »Ich werde dich niemals vergessen!«, rief er.
    Mit einer gewaltigen Erschütterung brach der Schutzdamm in Masons Brust in Millionen Trümmer, und sein Herz flutete ins Leben zurück, eine See ohne Küsten.
    Masons Tränen und die kieselsteingroßen Regentropfen prasselten auf Gibraltar Edward Summerwood nieder, als reinigten sie seine Leiche für das Begräbnis.

35
    Eine Dienerin öffnete das Tor von Dominos Palast und führte Tree ins Speisezimmer. Die konkaven Innenwände schimmerten perlweiß; Tree hatte das Gefühl, in einer riesigen Muschel zu stehen. Dekorative Schriftrollen und Gemälde im Ming-Stil hingen an den Wänden, und überall in dem Raum standen Porzellanvasen und Statuen auf verzierten Sockeln.
    Domino saß mit nacktem Oberkörper an einem großen Tisch und trank Reiswein direkt aus einer weißen Porzellanflasche. Er trug einen schwarzen Lendenschurz mit einem Gürtel, an dem ein Messer in einer Scheide hing. Nahe bei ihm stand ein junges Mädchen und fächerte ihm mit einem breiten Seidenfächer Luft zu. Dominos Kopf fuhr hoch, als Tree in den Raum kam. Er grinste sie mit großen weißen Zähnen unter seinem kohlschwarzen Schnauzbart an.
    »Schaut, wer da kommt.« Er schwankte leicht, als er aufstand. Er war gedrungen und etwas übergewichtig, doch er hatte die Art Fett, das straff und fest auf kräftigen Muskeln und schweren Knochen lag. Um seinen Hals hing ein silberdollargroßer Anhänger mit einer miniaturisierten erotischen Szene, eine Emaillearbeit im Stil der chinesischen Bettlektüre, die einen Prinzen beim Liebesspiel mit drei Kurtisanen zeigte.
    »Willkommen.« Domino verneigte sich mit dem Oberkörper, was ihn aus dem Gleichgewicht brachte und ihn einen Schritt vortreten ließ. »Wem verdanke ich das Vergnügen deines Besuchs?«
    Tree sah ihm in die Augen. »Wir beide wissen, warum ich hier bin.«
    »Schon, aber meine Ohren gieren danach, es dich sagen zu hören.«
    Sie seufzte. »Ich brauche dich, um von dir schwanger zu werden.«
    »Verstehe«, sagte er. »Mason hat es nicht geschafft.«
    »Lass ihn aus dem Spiel. Diese Sache geht nur dich und mich an. Ich brauche deine Hilfe.«
    Er lachte schallend. »Du brauchst mich?« Er ließ sich wieder auf den Stuhl am Tisch fallen und nahm einen Schluck Reiswein, dann bot er ihr die Flasche an. Sie schüttelte den Kopf.
    »Eine schöne Gringa wie du, aus den Vereinigten Staaten der Privilegierten, braucht Hilfe von einer Wanderratte wie mir? Wie eigenartig. Wir kommen von – wie soll ich es ausdrücken – verschiedenen Seiten des Flusses. Deine Seite hat eine Kloake. Meine Seite ist die Kloake. Trotzdem sagst du, du brauchtest mich. Was ist nur aus der Welt geworden?«
    »Wieso erwähnst du unsere sozialen Hintergründe? Ich habe solche Dinge nie wichtig genommen. Hast du je erlebt, dass ich wegen deines sozialen Status irgendwelche Vorurteile gegen dich hegte – oder gegen irgendjemanden sonst?«
    »Natürlich nicht, Gringa. Solche Trivialitäten haben für dich keine Bedeutung. Du hast immer an der Spitze der Pyramide gelebt«, sagte er. »Da, wo du sitzt, gibt es niemanden über dir. Frauen wie du waren immer unerreichbar für Männer wie mich.«
    »Es tut mir Leid, dass du ein schweres Leben hattest. Stimmt, mein Vater war wohlhabend. Aber wir können uns nicht aussuchen, in welches Leben wir hineingeboren werden, oder?«
    Domino nahm einen weiteren Schluck Reiswein. »Ich würde gerne hören, was du von mir willst.«
    »Das sagte ich doch schon. Ich brauche dich, um schwanger zu werden.«
    »Ah, das ist bloß aufgesagt. Ich möchte, dass du mich bittest – wie um einen Gefallen.«
    Sie seufzte. »Bitte, Domino – Señor Cruz –, würdest du mit mir schlafen?«
    Er schüttelte den Kopf.

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