Das Geheimnis am goldenen Fluß
Domino rutschte aus ihr heraus. Sie versuchte, sich von ihm loszureißen, doch er warf sein volles Gewicht auf ihre Schultern, drückte sie flach auf die Matratze und drang von neuem in sie ein. Domino stieß seinen Körper mit voller Wucht gegen ihren, so dass seine Lenden lautstark gegen ihre Pobacken klatschten. Sie grub ihr Gesicht in den Futon und weinte, sich hilflos und gedemütigt fühlend. Der Futon roch nach Baumwollstaub.
Ich werde es schon irgendwie durchstehen, redete sie sich ein. Ich werde es irgendwie durchstehen.
Dann hörte sie einen wütenden Schrei, der dem Zorn in ihrem Innern entsprach. Für einen seltsamen Moment glaubte sie, der Laut sei ihren eigenen Lungen entsprungen. Dann erkannte sie Masons donnernde Stimme.
»Domino! Runter von ihr, verdammt noch mal!«, brüllte Mason.
Die Wucht von Masons Tritt warf Domino zur Seite, und er fiel aus dem Bett auf den Boden hinunter.
Tree sprang von der Matratze und schlang sich den Kimono eng um den Körper.
Mason packte Domino am Hals, zerrte ihn auf die Beine und rammte ihm eine Faust ins Gesicht; Dominos Nase brach mit einem lauten Knacken, das klang, als zerbräche ein Hummerpanzer.
Domino taumelte rückwärts an die Wand, aus beiden Nasenlöchern stark blutend. Mit einer blitzschnellen Bewegung zog er das Messer aus der Scheide an seinem Gürtel, doch im selben Moment trat Mason zu und traf Domino mit voller Wucht zwischen den Beinen. Das Messer fiel auf den Holzboden, und Domino ging zusammengekrümmt und vor Schmerz stöhnend in die Knie.
Mason nahm Trees Hand und führte sie nach draußen in den kühlen abendlichen Dunst. Dann drehte er sie zu sich um und küsste sie zärtlich, seine grauen Augen in einer Sprache blitzend, die Tree nur zu gut verstand.
36
Mason trug Tree die Kalksteinstufen ihrer Badewanne hinunter, ohne vorher sein Hüfttuch abzunehmen. Er zog ihr den Kimono aus und begann, ihren ganzen Körper sanft und zärtlich mit Jasminseife einzuschäumen. Seine liebevollen Berührungen halfen, die Anspannung und das Trauma der hässlichen Szene mit Domino von ihr zu waschen. Er fragte sie mit keinem Wort danach, und dies war exakt die Wortmenge, die sie darüber verlieren wollte. Er benahm sich wie der alte Mason, las in ihrem Herzen, machte alles richtig. Nachdem er ihre Haare gewaschen und ausgespült hatte, fragte er sie, ob sie allein sein wolle.
»Nein, ich bin gerne mit dir zusammen, wenn du so bist wie jetzt«, sagte sie. »Was ist mit dir geschehen, Mason? Deine Augen sind so lebendig.«
Er holte tief Luft. »Tree, da ist etwas, was ich dir erzählen muss. Mein Geheimnis.«
»Ja, Baby, du musst es mir erzählen«, sagte sie, »um deinetwillen.« Sie strich ihm mit dem Fingerrücken über die Wange, und er nahm ihre Hand und küsste sie und fing an zu weinen. Mason weinte! Tree fühlte sich, als ginge in ihrem Herzen die Sonne auf. Sie küsste ihm die Träne vom Gesicht. Salzwasser hatte nie so süß geschmeckt.
»Die Nacht, in der Gib starb«, begann er flüsternd, stoppte dann. Er öffnete seine tränengefüllten Augen und blickte sie zitternd an. »Hör zu, was ich dir zu sagen habe, wird dich sehr mitnehmen. Aber ganz gleich, was du denken wirst, ich möchte, dass du weißt, dass ich dich über alles liebe, Tree. Ich kann wieder fühlen. Meine Liebe für dich ist nicht bloß eine Erinnerung, nein, ich liebe dich hier und jetzt. Aus tiefstem Herzen. Und wenn du … Schau, ich möchte, dass du wütend auf mich bist, ich möchte, dass du mit den Fäusten auf mich einprügelst – aber bitte, bitte hasse mich nicht.«
»Ich werde dich niemals hassen, Blödmann.« Auch Tree weinte jetzt. »Ich könnte dich niemals hassen. Auch du bist mein Bruder. Bist du nie darauf gekommen, dass ich dein Geheimnis sowieso längst kenne?«
»Du weißt, was geschehen ist?«
»Ich weiß gar nichts. Ich weiß nur, dass Gib starb und dass du glaubst, es sei deine Schuld gewesen. Das Schlimmste, was hätte passieren können, ist, dass du irgendwie für seinen Tod verantwortlich bist. Du hast ihn getötet. Das ist das Schlimmste, was ich mir vorstellen kann. Nur eine Tragödie wie diese könnte einem Mann wie dir das Herz brechen.«
Mason starrte sie einen langen Moment an, tränenüberströmt. Mit brüchiger Stimme berichtete er ihr von der schwarzen Nacht im Monsunregen, als er ihren Bruder in den Armen gehalten hatte. »O Tree! Ich habe ihn so geliebt. Ich hatte keine Gelegenheit, ihm Lebewohl zu sagen.«
Tree schluchzte an
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